Familienforschung bedeutet für mich auch immer ein Stück weit, mich, wenn es neue Quellen oder Dokumente zu erschließen gibt, mit etwas weiter entfernten Mitgliedern der Familie zu beschäftigen.
Durch Zufall fand ich heraus, dass es zum Bruder meines Urgroßvaters eine Akte im Bundesarchiv gibt. Neugierig, um welche Art von Dokumenten es sich handeln könnte, habe ich mir Kopien im Bundesarchiv bestellt, die ich in dieser Woche dann erhielt. Bei den erhaltenen Dokumenten handelt es sich um Schriftstücke aus der Zeit des Nationalsozialismus die interessante Details aus dem Leben des Fritz Seyer offenbaren.
Hermann Wilhelm Fritz Seyer wurde am 23. Dezember 1893 in Vehlgast bei Havelberg geboren. Die Taufe bekam er am 25. März 1894 in der Kirche von Vehlgast gespendet. Sein Vater war zu dieser Zeit Maurer im Ort. Später zog die Familie nach Havelberg, wo der Vater Hasso Seyer 1913 starb.
Fritz Seyer ging anschließend nach Berlin und arbeitete zunächst als Magistrats-Bürogehilfe in Berlin. Er wohnte 1920 in der Greifenhagener Straße 55 bei Schwester und Mutter. Das geht aus seinem Traueintrag hervor.
Am 28. Mai 1920 heiratete er Ernestine Marie Martha Plönnigs in Magdeburg.
Seine Ehefrau wurde am 22. August 1892 in Dobberkau/Kreis Stendal geboren. Ihre Eltern waren der Lehrer Friedrich Wilhelm Ernst Plönnigs und Friederike Könecke.
Trauzeuge waren sein Schwiegervater und sein Bruder Hermann, der zu diesem Zeitpunkt Eisenbahnassistent war.
Fritz Seyer war später von Beruf Kaufmann. Im Jahr 1927 tritt er bei der dritten Hochzeit seines Bruders Otto als Trauzeuge auf. Seine Wohnadresse ist jetzt die Ystaderstraße 16 in Berlin. Hier wohnte er nachweislich bis mindestens 1934. Unter der genannten Adresse findet sich auch die Wohnung eines Büroangestellten Otto Seyer. Wer dieser Otto Seyer ist und in welcher Beziehung er zu unserer Familie steht, konnte ich bisher nicht klären. Die Ystader Straße ist nur knapp einen Kilometer von der Greifenhagener- Ecke Stargader Str. entfernt, wo seine Schwester und Mutter gelebt haben. Ab 1935 wird er in den Berliner Adressbüchern unter der Wohnadresse Wiclestr. 1 in Berlin-Moabit geführt. Als Beruf ist Buchhalter angegeben.
Aus den Akten des Bundesarchivs geht hervor, dass Fritz Seyer aktives Mitglied der Berliner SA war. Damit zeigte er offensichtlich eine entgegengesetzte Weltanschauung zu seinem Bruder Hermann, der vormalig Mitglied der Zentrumspartei war. Fritz Seyer hatte zuletzt den Rang eines Oberscharführers bei der SA-Standarte 4, Sturm 26 inne. Innerhalb der Standarte war er Pressewart. Mitte Juni 1937 beantragte Fritz außerdem die Aufnahme in die NSDAP, die dann rückwirkend zum 1. Mai des Jahres positiv beschieden wurde. Geführt wurde er unter der Mitgliedsnummer 4357134.
Am 12. Dezember 1938 bat Fritz Seyer um „ehrenvolle Entlassung, mit dem Recht auf Wiedereintritt, aus der SA“. Als Grund gibt er an, dass es ihm durch seinen Eintritt in die NSDAP und die Ausübung zahlreicher Ehrenämter „nicht mehr möglich ist, meine S.A. Dienst so zu versehen, wie es im Interesse der S.A. erforderlich ist.“ Zum 15. Januar 1939 wurde er aus der SA entlassen. Fritz Seyer war, dokumentiert in einem Fragebogen von 1939, z.B. ehrenamtlich aktiv als Blockleiter der NSDAP der Ortsgruppe „Arminius“, in der „Deutschen Arbeitsfront“, in der „NS-Wohlfahrt“ und im „Reichsluftschutzbund“.
Das Ehepaar Seyer hatte einen Sohn namens Horst. Er wurde am 20. Januar 1925 in Berlin geboren. Er studierte später und promovierte anschließend. Horst lebte mindestens bis zum Jahr 2003 in Siegen.
Fritz Seyer starb am 21.Dezember 1966 in Berlin-Tiergarten. Wann seine Frau starb, ist unbekannt.