Blankenfelde

St. Nikolaus – Blankenfelde

Nikolaus an der Fassade; Foto: Norbert Seyer

Die katholische Kirche St. Nikolaus in Blankenfelde wurde am 25. April 1937 vom Berliner Domkapitular Bernhard Lichtenberg geweiht. Kirchlich gesehen, gehörte sie zunächst zu Salvator in Berlin Lichtenrade. Die Kirche erhielt ihrem Namen zu Ehren des verstorbenen Berliner Bischof Nikolaus Bares.
Architekt der Kirche war der Berliner Diözesanbaurat Carl Kühn.
An der Giebelfront der Kirche ist ein Halbrelief des Heiligen Nikolaus angebracht. Der Kunsthistoriker Konstantin Manthey schreibt dazu: „Diese Halbrelieffigur des hl. Nikolaus ist in gotischen Stilformen gehalten und bauzeitlich. Ich würde sie von der Art und Qualität Josef Dorls zuordnen, habe dafür jedoch keinen stichhaltigen Beleg. Sie erinnert mich aber sehr an andere Arbeiten des Künstlers, so z.B. die Elisabethfigur am Mittelrisalit von St. Elisabeth in Königs Wusterhausen.“
 
 

Altarkreuz Atelieraufnahme 1937; Quelle: Pfarrarchiv Blankenfelde

St. Nikolaus bekam zur Einweihung ein Notkreuz gestiftet. Die Stiftung bzw. die Schenkung wurden von Pfarrer Lütkehaus initiiert. Nach meinen ersten Vermutungen handelte es sich hier auch um eine Arbeit von Josef Dorls. Grund zu der Annahme hatte ich durch ein Foto, welches höchstwahrscheinlich im Atelier von Dorls aufgenommen wurde. In der Kirchenchronik gibt es eine Fotografie, auf der das Kreuz vor einem dunklen Tuch hängt. Im Hintergrund der Arbeit erkennt man das Modell der Elisabethfigur, die 1937 an der Turmfassade der gleichnamigen Kirche in Königs Wusterhausen angebracht wurde. Im Inventarverzeichnis des Erzbistums ist für das Altarkreuz jedoch verzeichnet: „Kruzifix, Holz mit grauer Ölfassung (Korpus ca. 130cm) Spätbarock, 1. Hälfte 18. Jahrhundert, Kreuz erneuert, Farbfassung restaurierungsbedürftig“ Der Korpus ist aus Lindenholz gefertigt.

Was macht das Kreuz aber im Atelier von Dorls? Im Archiv von St. Nikolaus gibt es eine Aufstellung von Ausgaben, die während des Kirchbaus getätigt wurden. Für ein Kruzifix wurden seinerzeit 250 Rm an Dors (sic!) gezahlt. Nach Vergleichen mit ähnlichen Arbeiten scheint mir dieser Betrag zu gering für eine eigenständige Arbeit von Dorls zu sein. Möglicherweise war er für das Notkreuz nur ein Zwischenhändler oder er hat die Christusfigur in irgendeiner Weise restauriert. Vielleicht war es auch Dorls, der den Kruzifixus farblich gestaltete.
Kuratus Lütkehaus lieferte in einem Zeitungsartikel eine eher abenteuerliche Provenienz des Kreuzes. Nach seinen Angaben stammte das Kreuz aus Karlsbad in Böhmen.
In einer stürmischen Hochwassernacht des Winters 1810 wurde es im Hause „Schöne Königin“ angespült, als das Wasser bereits das zweite Stockwerk erreicht hatte. Hier durchschlug es das Fenster der Victoria Lochner und blieb zwischen den Fenstersprossen stecken. Mit vereinten Kräften zog man das Kreuz ins Haus. Nach dem Rückgang der Flut versuchten die Lochners, den ursprünglichen Besitzer in den Dörfern oberhalb von Karlsberg ausfindig zu machen. Vergebens. Victoria Lochner gab das Kreuz nach ihrem Tod an den Bruder weiter, dieser später an seine jüngste Tochter, die es wohl nach Berlin gebracht haben soll. So kam es in den Besitz von St. Nikolaus-Blankenfelde.
Nach meinen Recherchen handelt es sich bei diesem Artikel jedoch nur um eine schön ausgeschmückte Legende. Fest steht jedoch, dass es das Haus „Zur Schönen Königin“ wirklich gab. Es befand sich wie im Zeitungsartikel beschrieben an der „Alten Wiese“ und trug die Nummer 335. Das Haus war ein gehobenes Gasthaus bzw. Hotel, in dem sich häufiger Adlige mit ihrem Gefolge während einer Kur einquartierten. Benannt wurde das Haus nach der österreichischen Kaiserin Maria Theresia, die ihrem einstigen Hofschneider Kraut zu Baugrundstück und dem Haus an der „Alten Wiese“ verhalf. Die „Alte Wiese“ liegt direkt am nördlichen Ufer des Flusses Tepl und bildet heute das Kurzentrum von Karlovy Vary.
Auch einen Hinweis auf eine Viktoria Lochner gibt es. Im „Almanach der privilegierten Schützen-Gesellschaft in Karlsbad 1630-1845“ findet man 1841 ein Fräulein Viktoria Lochner als Stifterin einer Preisfahne. Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass Viktoria Lochner nicht verheiratet war und deswegen das Kreuz später an ihren Bruder übergab. In den Matrikeln von Karlsbad findet sich jedoch kein Hinweis auf die genannten Personen.
Bisher konnte ich keinen Hinweis auf ein so starkes Hochwasser im Jahr 1810 finden, dass es in die Historie der Stadt eingegangen wäre. Ein Ansteigen der Tepl bis zum zweiten Stock wäre wohl ein denkwürdiges Ereignis gewesen. Gleichwohl kam es in Karlsbad öfter zu Überschwemmungen durch Tauwetter, auch um 1810, weil das Ufer der Tepl schon seit Jahrhunderten dicht bebaut wurde.

Altarkreuz 2017; Foto: Konstantin Manthey

Die Gemeinde St. Nikolaus ließ das Altarkreuz im Jahr 2001 aufwendig restaurieren. Während der Reststauration wurde festgestellt, dass die Holzsubstanz keiner längeren Wassereinwirkung ausgesetzt war. Ein Anschwemmen durch das Hochwasser der Tepl scheint damit ausgeschlossen.
Irena Strelow hält in ihrer Dissertation „Ich werde aber weiter sorgen“ NS-Raubkunst in katholischen Kirchen, das Altarkreuz sogar für NS-Raubgut. Sie schreibt: „Ein historisches Foto von 1937 in der Chronik der St. Nikolaus-Kirche zeigt den Kruzifixus, bevor er in die Dorfkirche gelangte, in einer Art Lagerraum vor einem aufgehängten Vorhang drapiert. Rudolf Sobczyk, aus dessen Beständen Lütkehaus Kunstgegenstände erwarb, pflegte für seine interessierten Kunden einzelne Objekte in seinen Geschäfts- und Lagerräumen genau auf die gleiche Weise – vor einem hängenden Vorhang oder Teppich drapiert – zu fotografieren.“ Dieses eingangs beschriebene Foto wurde aber höchstwahrscheinlich bei Dorls aufgenommen und hat mit Sobcyk primär nichts zu tun. Das Kreuz als NS-Raubkunst zu bezeichnen, scheint hier zumindest fragwürdig.

Auch der Künstler Fritz Wingen hatte wohl Interesse daran, an der Ausgestaltung von St. Nikolaus mitzuwirken. Darauf deutet zumindest ein Schreiben an den Diözesanbaurat Kühn hin. Der Kirchnenchronistin ist jedoch keine Arbeit von Wingen in Blankenfelde bekannt.

Kreuzwegstation in Blankenfelde 2017, Foto: Norbert Seyer

In der Kirche gibt es jedoch eine eindeutig Dorls zuzuordnende Arbeit. Es ist der Kreuzweg. Dorls fertigte diese Arbeit als Tonreliefs an. Die Größe der einzelnen Tafeln ist 49cm x 29cm. Die XIV. Station ist mit JD signiert. Der Kreuzweg ist bauzeitlich.
Die Motive der einzelnen Stationen weisen Parallelen zu den anderen bekannten Kreuzwegstationen von Dorls auf.
In Zuge der Renovierung von St. Elisabeth Königs Wusterhausen war zeitweise geplant, den Kreuzweg abzuformen und als Modell für eine Neuanschaffung eines Kreuzweges in Königs Wusterhausen zu verwenden. Das wurde vom damaligen Pfarrer dann allerdings untersagt.