Eine katholische Kirche in letzter Minute

Katholische St. Elisabeth Kirche Köngis Wusterhausen

Beitrag publiziert im Heimatkalender für Königs Wusterhausen und das Dahmeland, Ausgabe 2014

Die katholische Kirche St. Elisabeth in Königs Wusterhausen blickt auf eine vergleichsweise kurze Geschichte zurück. Erbaut im Jahr 1937 durch den Berliner Diözesanbaurat Carl Kühn in nur knapp sechs Monaten, ist sie dennoch ein markantes und prägendes Bauwerk unserer Stadt. Eine katholische Gemeinde gibt es seit Ende des 19.Jahrhunderts in und um Königs Wusterhausen. Als Gottesdienstort wählten sich die Katholiken das ursprünglich als katholisches Schulhaus konzipierte heutige Pfarrhaus in der Friedrich-Engels-Straße 6. (vgl. Heimatkalender 2010 S.38-41)

Diese Notkapelle wurde Anfang der dreißiger Jahre bei der ständig wachsenden Zahl von Gottesdienstbesuchern, es sind sonntags bis zu 500 einheimische Gläubige und Wochenendtouristen, schnell zu klein. Eine größere Kirche müsste dringend gebaut werden. Der Kirchenvorstand erwirbt zu diesem Zweck Anfang 1932 ein Grundstück als Bauplatz für die künftige Kirche gegenüber der Notkapelle von der preußischen Regierung. Als Auflage wird der Gemeinde allerdings gemacht, dass innerhalb von fünf Jahren ein Gotteshaus auf dem Grundstück zu errichten sei, sonst fällt das Land an die Regierung zurück. Das ist ein großes Problem für den Kirchenvorstand, denn die Gemeindemitglieder sind hauptsächlich einfache Arbeiter, Angestellte und ärmere Menschen. Sie sind zu großen Geldspenden nicht in der Lage. Es ist ohne fremde Hilfe nahezu unmöglich, die notwendigen finanziellen Mittel innerhalb der festgelegten fünf Jahre zu beschaffen. Man wendet sich deshalb vertrauensvoll an den Bonifatiusverein in Paderborn, der armen Gemeinden in der Diaspora mit Geldmitteln Unterstützung bei baulichen Projekten gewährt.

Pfarrer Roschkowski nimmt, um den Kirchbau voranzutreiben, Kontakt zum Architekten Hanns Schlicht auf. Schlicht, der zahlreiche Kirchen, vor allem in Schlesien geplant und gebaut hat, soll einen repräsentativen Bau entwerfen, der aber mit den geringen Mitteln die der Gemeinde zur Verfügung stehen werden, auch zu realisieren ist. Anfang 1936 verlässt Pfarrer Roschkowski, der bis dahin alle Fäden der Kirchplanung in der Hand hält, unverhofft die Gemeinde. Die Planungen geraten dadurch ins Stocken. Neuer Priester in Königs Wusterhausen wird der Westfale Alfons Thonemann. Er hält an Schlicht als Architekt für den Bau der Kirche fest.

Hanns Schlicht entwirft einige Kirchen für KW, mit denen schon Pfarrer Roschkowski und später Thonemann jedoch nicht einverstanden sind. Insgesamt sind neun Entwürfe für eine katholische Kirche von Hanns Schlicht im Pfarrarchiv erhalten. Der Bonifatiusverein in Paderborn stellt für den Kirchbau in Königs Wusterhausen erhebliche Geldmittel zur Verfügung. Aus diesem Grund müssen die verschiedenen Entwürfe auch dort geprüft und genehmigt werden. Keiner der Entwürfe Schlichts findet jedoch Wohlgefallen in Paderborn. Die Entwürfe sind zu aufwendig geplant und widersprechen damit den Grundsätzen des Bonifatiuswerkes. Darin heißt es unter anderem: „…der Bonifatiusverein gebe grundsätzlich nur Zuschüsse zu Kirchbauten, wenn jede unnütze Ausgabe vermieden sei. Es dürfe kein Turm vorhanden sein und der Bau müsse ein Sparbau sein.“ Der nach diesen Maßgaben gefertigte letzte Entwurf von Schlicht ist jedoch so ärmlich konzipiert, dass auch dieser Plan durchfällt. Der Gutachter des Bonifatiuswerkes stört sich außerdem daran, dass Hanns Schlicht angeblich kein richtiger Architekt und auch kein Mitglied der Reichsarchitektenkammer ist. Vielmehr ist er gleichzeitig Bauunternehmer und möchte die Kirche dann auch errichten.

Die Zeit drängt. Es ist Mitte 1936 und die Gemeinde ist noch kein Schritt weiter. Pfarrer Thonemann wendet sich nun auch Hilfe suchend an den Berliner Diözesanbaurat Carl Kühn. Der ist kein unbeschriebenes Blatt in Paderborn. Kühn soll einen Gegenentwurf zu Schlicht für die Kirche ausarbeiten, der alle vorgeschriebenen Maßstäbe des Bonifatiusvereins erfüllt.

Carl Kühn 2.v.l., Quelle KIrchenarchiv Heilige Familie Prenzlauer Berg
Carl Kühn 2.v.l., Quelle KIrchenarchiv Heilige Familie Prenzlauer Berg

Carl Anton Otto Kühn wurde am 19.April 1873 in Köln geboren. Sein Vater Carl Eduard Kühn war ebenfalls Architekt. Über seine Mutter Sophia Meckel ist er mit dem Kölner Dombaumeister Vincenz Statz verwandt. Sie ist außerdem die Schwester des bekannten Architekten Maximilian Meckel. Carl Kühn erlernte wahrscheinlich zunächst den Beruf des Steinmetzes, denn an der Orgelempore von St. Elisabeth findet sich ein eigenes Steinmetzzeichen von ihm. Er studiert später an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg als Schüler des Architekten Christoph Hehl. Anschließend wird er Assistent an Hehls Lehrstuhl und Mitarbeiter in dessen privatem Architektur-büro. Außerdem arbeitet Kühn zeitweise im Büro seines Onkels Max Meckel in Frankfurt/Main. Neben Kirchbauten entwirft er auch Privat- und Geschäftshäuser.

Von 1926 an ist Carl Kühn als Fürstbischöflicher Delegaturbaurat der Fürstbischöflichen Delegatur für Brandenburg und Pommern des Bistums Breslau, beziehungsweise von 1930 bis 1938 als Diözesanbaurat des Bistums Berlin für alle Kirchbauten zuständig. Unter seiner Anleitung entstehen zahlreiche Gotteshäuser in Berlin und Umgebung. Eine der letzten Kirchen die Kühn projektiert und baut, ist St. Elisabeth KW. Auch die katholische Kirche in Blankenfelde, zu gleicher Zeit erbaut, entstammt seiner Feder.

Plan von Carl Kühn, Quelle: Archiv St. Elisabeth
Plan von Carl Kühn, Quelle: Archiv St. Elisabeth

Carl Kühn plant entgegen der Vorgaben des Bonifatiusvereins für Königs Wusterhausen doch einen Bau mit zwei Türmen, der auch die baupolizeiliche Genehmigung erhalten würde, denn der Bau sollte sich schon aus dem umliegenden Stadtbild hervorheben. Der Entwurf wird vom Paderborner Gutachter Max Sonnen, der Kühn offensichtlich wohl gesonnen ist, sehr gelobt und dem Kirchenvorstand zur Ausführung empfohlen. Anfang Oktober 1936 muss sich der Kirchenvorstand für einen der beiden Entwürfe entscheiden und trifft seine Wahl zu Gunsten Carl Kühns.

Der Bonifatiusverein in Paderborn gewährt daraufhin einen Zuschuss für den Kirchbau in Höhe von 35.000 RM, der in Raten je nach Baufortschritt, ausgezahlt werden soll. Die Baupläne Kühns gehen im November der Baupolizei zur Genehmigung zu, doch die Nationalsozialisten wollen den Baubeginn herauszögern. Die Gemeinde will den Baufortschritt beschleunigen, kauft trotzdem Baumaterial ein und fängt ohne Baugenehmigung an, die Fundamente auszuschachten. Doch ohne eine gültige Baugenehmigung werden keine weiteren Zahlungen aus Paderborn mehr ange-wiesen. Es drohen der Baustopp und das finanzielle Desaster für die Gemeinde. Endlich, nach wiederholten Anfragen, Mahnungen und Drängen seitens des Pfarrers, Architekten und Bauunternehmers, wird die baupolizeiliche Genehmigung im Januar 1937 erteilt.

Ausschnitt aus dem Entwurf Kühns; Quelle: Pfarrarchiv St. Elisabeth
Ausschnitt aus dem Entwurf Kühns; Quelle: Pfarrarchiv St. Elisabeth

Jetzt geht alles sehr schnell. Ende Januar 1937 wird nun offiziell mit dem Bau durch den Bauunternehmer Carl Dirk aus Berlin begonnen und bereits am 28.Februar ist die feierliche Grundsteinlegung durch den Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg. Die SS versucht durch Aufmärsche, diese feierliche Handlung zu stören und zu sabotieren.

Anfang April ist der Rohbau einschließlich des Dachs fertig, so dass am 11.April die Glockenweihe stattfinden kann. Die drei Glocken, gegossen bei Schilling und Lattermann in Apolda, können so noch während der Bauphase in die Türme gezogen werden. Carl Kühn greift bei vielen Kirchbauten die er plant, auf die gleichen versierten Künstler zurück. Die Kirchenfenster werden vom Berliner Glasmaler Carl Busch gestaltet. Einige Figuren, wie z.B. die tönerne Elisabeth über dem Eingangsportal, entwirft und fertigt der Bildhauer Josef Dorls. Baurat Carl Kühn entwirft für die Kirche auch den Hochaltar.

Noch vor Vollendung der Kirche wird Pfarrer Thonemann Mitte 1937 versetzt. Sein Nachfolger wird Anton Majewski, der den Bau fertig stellen wird. Insgesamt kostet die Kirche schlüsselfertig knapp 50.000 RM. Am 1.August 1937 erfüllt sich der langgehegte Wunsch der Gemeinde auf ein größeres Gotteshaus. Der Berliner Bischof Conrad Graf von Preysing weiht die Kirche am Sonntag während eines feierlichen Hochamtes. Sie trägt von nun an, wie auch die Notkapelle gegenüber, den Namen der heiligen Elisabeth von Thüringen.

 
Quellen:

  • Akten und Kirchenchronik im Pfarrarchiv St. Elisabeth
  • Seyer N., Ein Jahrhundert St. Elisabeth Königs Wusterhausen“ Broschüre, 46 Seiten, 2009
  • eigene Recherchen zur Familiengeschichte und Genealogie Carl Kühns
  • Zusammenarbeit mit Konstantin Manthey im Rahmen seiner Dissertation zum Thema „Carl Kühn (1873-1942). Kirchenbauten für das junge Bistum Berlin”(Weitere Informationen zu Carl Kühn unter http://konstantinmanthey.blogspot.de)