Beginn der Militärzeit
Paul wurde Mitte November 1943 als vierter Sohn der Familie Dinter Soldat. Sein ältester Bruder war Berufssoldat, die beiden folgenden Brüder wurden während des zweiten Weltkrieges schon vor ihm zur Deutschen Wehrmacht eingezogen.
Nach seinen Erzählungen, welche mir heute noch teilweise in Erinnerung sind, war Paul Dinter zunächst Kradmelder bei einer Flak-Abteilung in Westfrankreich.
Invasion in der Normandie
Am 6. Juni 1944 landeten die Alliierten am sogenannten D-Day in der Normandie und begannen sofort einen Brückenkopf auszubauen. Die Einheit, der Paul Dinter unterstellt war, wurde auf Grund von Mangel an Fahrzeugen und Treibstoff erst Anfang Juli ins Kampfgebiet verlegt. Zu dieser Zeit waren die Alliierten schon weiter ins Landesinnere vorgedrungen.
Mit dem 25. Juli 1944 begannen amerikanische Streitkräfte die Operation „Cobra“ und damit den Ausbruch aus dem Normandie-Brückenkopf auf ganzer Linie. Das war der Beginn des Bewegungskrieges in Frankreich.
Während der amerikanischen Offensive wurde Paul Dinter bei La Diniere, südlich von Saint Lo, um den 28. Juli schwer verwundet und Tage später an das Feldlazarett Mortain abgegeben. Nach eigenen Angaben geriet er in alliiertes Panzerfeuer und erlitt einen Speichensteckschuss im Arm.
Verlegung an die Oderfront
Vom Feldlazarett Mortain wurde Paul Dinter in ein Heimatlazarett nach Deutschland verlegt. Hier konnte er bis zum Februar 1945 seine Verwundung kurieren. Dann kam ein Marschbefehl in Richtung Oder.
Eine Zuordnung zu einem speziellen Truppenteil lässt sich nicht feststellen, möglicherweise, wenn nicht sogar wahrscheinlich, wurde er der Panzergrenadier-Division „Kurmark“ unterstellt. Zumindest lässt sich aus dem Weg der Division „Kurmark“ auch der Weg Dinters bis zum Kriegsende recht genau nachvollziehen. Sicher ist, dass Paul Dinter einer Einheit der 9. Armee, oder einer unmittelbar benachbarten Kampfgruppe, unterstellt war, denn diese Armee wurde gegen Ende des II. Weltkrieges im Raum von Halbe eingekesselt.
Die Division war als Teil der 9.Armee, kommandiert durch den General der Infanterie Theodor Busse, der Heeresgruppe Weichsel unterstellt und wurde erstmals Anfang Februar bei Frankfurt/Oder eingesetzt.
Die Rote Armee hatte zu Beginn des Jahres 1945 erste Brückenköpfe westlich der Oder gebildet, den Angriff auf Berlin aber nicht unmittelbar fortgesetzt, um den Nachschub an Soldaten und Material zu gewährleisten.
Am 16. April 1945, morgens um 3.00 Uhr, begann mit dem wohl stärksten Trommelfeuer des Krieges die Schlacht an der Oder und um die Seelower Höhen.
Die Division „Kurmark“ wurde sofort aus der Reserve an die nahe Front verlegt und besetzte eine Linie von Dolgelin bis Schönfließ. Zunächst konnte die Front noch gehalten werden.
Entscheidend für den Ausgang der Oderschlacht war der Abend des 18. April 1945. Die Rote Armee durchbrach die Reihen der 9. Armee entlang der Reichsstraße 1 zwischen Wriezen und Müncheberg auf mehreren Kilometern, spaltete sie in zwei Teile und öffnete so den Weg nach Berlin. Im Süden konnte die 1. Ukrainische Front nach der Eroberung Forsts in den freien Raum in Richtung Cottbus vorstoßen.
Der Kessel von Halbe
Teile der 9. Armee, mittendrin Paul Dinter, wurden an der Oderfront von Schukows Verbänden in Richtung Spreewald abgedrängt. Ein möglicher Ausbruch in Richtung Westen wurde von Hitler ausdrücklich untersagt.
Im Süden kamen Verbände der Roten Armee unter Konew zügig in Richtung Berlin voran und schlossen den Ring im Rücken der Deutschen.
Mit dem 21. April 1945 waren Teile der 9. Deutschen Armee, der 4. Deutschen Panzerarmee und zehntausende Flüchtlinge aus den Ostgebieten von der Roten Armee praktisch eingekesselt. Der Fluchtweg in Richtung Elbe war endgültig versperrt.
Für die beiden am Kessel beteiligten Russischen Fronten ergaben sich nun unterschiedliche Aufgaben. Die 1. Ukrainische Front von Marschall Konew hatte eine Verteidigungslinie zu bilden, um der 9. Armee den Weg nach Westen zu verstellen und deren Durchbrüche zu verhindern. Schukows Weißrussische Front hatte den offensiven Teil der Kesselschlacht zu leisten. Sie sollte von Osten her den Kessel verkleinern und die 9. Armee in Richtung von Konjews Truppen treiben.
Theodor Busse wollte nach der Einschließung seiner Verbände versuchen den täglich enger werdenden Ring zu sprengen, nach Westen durchzubrechen und sich bei Beelitz mit der 12. Deutschen Armee zu vereinigen.
Ein erster, zum Teil halbherzig geführter, Ausbruchsversuch der deutschen Truppen bei Halbe am 24. April scheiterte.
In vielen Berichten, die man über den Kessel von Halbe liest, wird die Überlegenheit der russischen Luftwaffe besonders hervorgehoben. Pausenlose Luftangriffe auf alles was sich bewegte, zermürbte die Moral der eingeschlossenen Truppen und Zivilisten zusätzlich. Zerschossene Fahrzeuge, Panzer, Flüchtlingswagen usw. blockierten sämtliche Wege und Straßen und behinderten so das Vorwärtskommen der Eingeschlossenen.
Nach dem Scheitern des ersten Ausbruchversuches, sollte in der Nacht vom 25. auf den 26. April ein erneuter Versuch gewagt werden, möglichst viele Truppenteile aus dem Kessel zu retten. Busse setzte alles auf eine Karte und konzentrierte seine verbliebenen Panzer und gepanzerten Fahrzeuge im Raum Halbe.
Auch dieser zweite Ausbruchsversuch misslang, nahezu alle daran beteiligten Truppenteile wurden vernichtet oder gefangen genommen. Es ist wahrscheinlich, dass sich Paul Dinter weiterhin im Kessel von Halbe aufhielt.
Wo genau er sich zu diesem Zeitpunkt der Kesselschlacht befand, lässt sich nicht genau sagen. Er muss sich aber immer noch bei kämpfenden, und somit wahrscheinlich auch bei geführten, Truppenteilen aufgehalten haben. In einem Zeitungsinterview sagte er dazu: „Zwischen Hammer und Märkisch Buchholz sollten wir Stalinorgeln angreifen.“ Der Kessel hatte im Verlauf des 27. April nur noch eine Größe von etwa 400 km2. Paul Dinter erwähnte im Zeitungsinterview, „das auch er nächtelang durch den Kessel von Halbe geirrt war.“
Die südlich von Halbe stehende Sowjetische Artilleriedivision schoss pausenlos aus 300 Rohren in und um den Ort. Ein Augenzeuge schildert das Erlebte folgendermaßen: „Ich habe im ersten Weltkrieg das Trommelfeuer in der Champagne erlebt, machte die Sommeschlacht mit und lag auch im zähen Ringen vor Verdun.- Aber was sich an diesen Kampftagen im Halber Kessel zutrug, stellte alles bisher Durchlebte in den Schatten.“
Ausbruch aus dem Kessel
Am Abend des 28. April sollte der nächste Ausbruchsversuch folgen. Die für den Ausbruchsversuch vorgesehenen Einheiten wurde in zwei Stoßkeile geteilt, in einen nördlichen und in einen südlichen Keil. Ich vermute, dass Paul Dinter eher dem südlichen Stoßkeil zuzuordnen war, da seine kurz darauf erfolgte schwere Verwundung bei Freidorf, wohl in Kampfrichtung südlicher Ausbruch liegt.
Mit Artillerie- und Panzerunterstützung gelang es, unter hohen Verlusten den Sperrriegel der Roten Armee in einigen Bereichen zu durchbrechen und in Richtung Autobahn voranzukommen. Zahlreiche Flüchtlinge versuchten zusammen mit den Soldaten in Richtung Westen durchzubrechen.
Das ununterbrochene Artillerie- und Panzerfeuer in die Wälder um Halbe traf auch Paul Dinter. Er wurde bei Freidorf, etwa 5km südlich von Halbe, durch fünf Granatsplitter am Kopf schwer verwundet.
Wahrscheinlich verlor er durch die schwere Kopfverletzung den Anschluss an die ausgebrochenen Truppen.
„Am nächsten Morgen plötzlich diese unheimliche Stille. Nur noch von weitem hallte Artilleriefeuer.“ Er versuchte nun mit einigen Kameraden, sich auf eigene Faust in Richtung Elbe durchzuschlagen. „Zum Russen wollte ich nicht, lieber in Amerikanische Gefangenschaft.“
Paul Dinter hatte den großen Vorteil, dass er die Gegend durch viele Trainingskilometer auf dem Rad kannte. Er konnte sich orientieren, um so den schnellsten Weg zur Elbe zu finden. Seine Wegzehrung waren verschimmeltes Knäckebrot und die Milch einer Kuh, die im Wald umherirrte. „Als es mir endlich gelungen war, sie an eine Schnur zu binden, molk ich die Milch in irgendwo eingesammelte Blechbüchsen.“
Bis ganz zur Elbe brauchte Paul Dinter sich nicht durchzuschlagen. Zufällig angetroffene Zivilisten erklärten ihm: „Wo kommst Du denn her? Der Krieg ist längst vorbei.“ Von da an gab es nur einen Weg. Zurück nach Hause!
Unterwegs wurde er nach eigenen Erzählungen mindestens zweimal von russischen Patrouillen angehalten und kontrolliert. Er hatte jedoch das große Glück, nicht in russische Kriegsgefangenschaft abtransportiert zu werden. Mitte Mai 1945 war er wieder zu Hause.