IV. Friedensfahrt 1951

IV. Internationale Friedensfahrt 1951 Prag – Warschau

Die Friedensfahrt 1951 war ein Etappenrennen, das in jenem Jahr noch nicht durch das Gebiet der DDR führte. Start war am 30. April in Prag, der Zieleinlauf am 9. Mai in Warschau.

Paul Dinter beim Einschreiben vor dem Rennen, Quelle: Familienarchiv

Eine Reihe von Auswahlrennen mussten vor dem endgültigen Zusammenstellen der Mannschaft absolviert werden.
Am Ostersonntag 1951 fand unter zunächst widrigen Wetterbedingungen das traditionelle Rennen Berlin-Leipzig statt. Das Eintagesrennen führte von Berlin, über Teltow, Potsdam, Wittenberg, über den Fläming nach Leipzig. In einer kleinen Spitzengruppe, die weit vor dem Feld fuhr, kämpften wenige Fahrer, unter ihnen Paul Dinter und Rudi Kirchhoff um den Sieg. Diese beiden waren es dann schließlich auch, die nach 185 km Renndistanz das Rennen unter sich ausmachten. Kirchhoff siegte knapp vor Dinter.
Ende April stand die Mannschaftsaufstellung für die Friedensfahrt endgültig fest. Für die DDR gingen an den Start: Horst Gaede, Bernhard Trefflich, Paul Dinter, Lothar Meister, Rudi Fensl und Werner Weber. Trainer der Mannschaft war der erfahrene Werner Schiffner.
 
 
 

Paul Dinter beim Reifenwechsel während eines Rennens, Quelle: Familienarchiv

Für die damaligen Verhältnisse waren die Fahrer gut ausgerüstet. Die Fahrräder waren mit einer Achtgangschaltung ausgestattet und jede Mannschaft hatte ihren eigenen Mechaniker und Material-LKW. Bei einem Reifenschaden mussten die Fahrer den Schaden auf der Strecke selbst beheben. Zuschauerhilfe war nicht gestattet. Jeder Fahrer führte mindestens einen Ersatzreifen, um den Körper gebunden, mit sich.
 
 
 
 

1. Etappe Rund um Prag 165 km

Bei strömendem Regen begab sich das Fahrerfeld auf die erste Etappe, einem Rundkurs um die tschechische Hauptstadt Prag. Das Profil der Etappe war flach gehalten, so dass von Anfang an ein hohes Tempo gefahren wurde. Eine nur zwei Fahrer starke Spitzengruppe, Gaede war dabei, konnte sich dennoch vom Feld absetzen, um den Sieg unter sich auszumachen. Wenige hundert Meter vor dem Ziel lief ein Hund vor das Rad des Deutschen und brachte ihn dadurch schwer zu Fall. So entschied der Pole Wojcik die erste Etappe für sich. DDR-Fahrer Lothar Meister wurde im Spurt des Hauptfeldes Dritter. Paul Dinter kam knapp dahinter auf Rang sieben durch das Ziel. Nach diesem Tag war die Mannschaft der DDR in der Länderwertung auf dem neunten Platz, allerdings mit nur dreißig Sekunden Rückstand auf die führenden Polen.

2. Etappe Prag – Budweis 165 km

Das Wetter hatte sich zum Start der zweiten Etappe gebessert. Nach gefahrenen 60 km hatte Paul Dinter Kettenschaden und musste vom Rad. Gemeinsam mit den wartenden Gaede, Trefflich und Weber konnte er das Feld aber bald wieder einholen. Leider stürzte Gaede auch an diesem Tag erneut schwer und zog sich eine Verletzung des Auges zu und stand dadurch kurz vor dem Aufgeben – konnte aber zur Erleichterung der Mannschaft dann doch weiterfahren. Sein Ausscheiden hätte einen sehr großen Verlust bedeutet.
Auf dieser Etappe übten die Bulgaren von Beginn des Rennens an Druck auf das Fahrerfeld aus und konnten sich später mit vier Fahrern entscheidend absetzen. Eine Verfolgergruppe um den Vortagessieger Wojcik versuchte die Führenden einzuholen. Mit in dieser Gruppe fuhr auch Paul Dinter. Es gelang ihnen jedoch nicht, die Bulgaren einzuholen, so dass Milko Dimov die zweite Etappe für sich entscheiden konnte. Paul Dinter wurde sehr guter Achter.

3. Etappe Budweiß – Brno (Brünn) 220 km

Die dritte Etappe wurde von der tschechischen Mannschaft dominiert, die am Vortag noch so erfolgreich gefahrenen Bulgaren hingegen enttäuschten. Wieder wurde von Beginn an ein hohes Tempo gefahren und auf dem hügeligen Kurs zog sich das Feld bald weit auseinander. Kurz vor dem Ziel hatte sich eine Spitzengruppe gebildet, in der auch Lothar Meister fuhr. Beim Zielsprint stürzte der Deutsche jedoch und kam so nur auf den neunten Platz. Etappensieger wurde der Tscheche Vesely. Dinter wurde 37. Durch eine gute Mannschaftsleistung rückte die DDR-Mannschaft in der Gesamtwertung auf Platz Vier vor. Das gelbe Trikot holte sich der Däne Olsen.

4. Etappe Brno – Gottwaldowo 138 km
Materialwagen während eines Etappenrennens, Quelle: Familienarchiv

Die vergleichsweise kurz gestaltete Etappe entwickelte sich wieder zu einem schnell gefahrenen Tagesabschnitt. Ein große Gruppe aus 27 Fahrern konnte sich absetzen und blieb fast bis zum Ziel zusammen. Kurz vor dem Ziel konnte jedoch eine kleine Ausreißergruppe entkommen. Im Zielspurt setzte sich der Tscheche Ruzicka knapp vor dem Vortagessieger durch. Rudi Fensel wurde Vierter. Der Rest der deutsche Mannschaft kam weitgehend geschlossen in der großen Verfolgergruppe an, woran Meister und Dinter, die immer wieder für Tempo sorgten, einen erheblichen Anteil hatten. Dinter wurde zusammen mit anderen Fahrern auf Platz zehn der Etappe geführt. Durch diese Mannschaftsleistung rückte man auf den dritten Platz im Gesamtklassement vor.

5. Etappe Gottwaldowo – Ostrawa 127 km

Ein Zeitungsausschnitt, der die fünfte Etappe beschreibt, hat die Schlagzeile: „Hervorragende Leistung von Dinter“.
Zunächst hatte sich wieder eine kleine Spitzengruppe abgesetzt, in der die Deutschen Fensl und Trefflich mitfuhren. Aber auch zwei Tschechen, drei Ungarn und zwei Polen waren mit von der Partie. Fünf Minuten dahinter der Rest des Feldes. Für die Mannschaftswertung wurden jedoch die ersten drei Fahrer im Ziel gewertet, so dass die Ungarn zunächst im Vorteil waren. Nach zwei Dritteln der Strecke machte sich Paul Dinter, zusammen mit dem Mann in Gelb und einem weiteren Tschechen an die Verfolgung der Spitzengruppe, um das Resultat der Mannschaftswertung zu festigen. Bei der Einfahrt in das Stadion von Ostrawa war dann auch klar, Olsen und Dinter hatten den Anschluss geschafft. Am Ende des Tages war er bester deutscher Fahrer und wurde mit Platz sechs, wie andere Fahrer auch, gewertet. Der dritte Platz in der Mannschaftswertung konnte durch seine Aufholjagd gehalten werden. Nach der Hälfte der Renndistanz lagen Meister auf Platz 8, Dinter auf 17, Fensl auf 18, Trefflich auf 20, Gaede auf 35 und Weber auf Platz 50.

6. Etappe Cieczyn – Katowice 179 km

Die sechste Etappe brachte den ersten Mannschaftssieg auf einer Friedensfahrtetappe für die DDR überhaupt. Bei strömendem Regen und auf welligem Gelände fuhren die Fahrer eine Attacke nach der anderen. Als der im Gesamtklassement gut platzierte Vesely zum zweiten Mal an diesem Tag einen Materialschaden beheben musste, nutze der Mann in Gelb die Chance und versuchte sich vom Feld abzusetzen. Es konnten ihm nur Lothar Meister und der Franzose Labrue, der später aber abreißen lassen musste, folgen. Die Etappe gewann Olsen vor Meister im Stadion von Kattowitz. Für die Tagesmannschaftswertung entscheidend war, dass nur wenige Minuten nach dem Spitzentrio eine kleine Verfolgergruppe, in der sich auch Trefflich und Dinter befanden, ins Stadion einfuhr. Mit diesem guten Ergebnis konnte zum ersten Mal der Tagessieg in der Mannschaftswertung errungen werden. Paul Dinter wurde auf dieser Etappe sehr guter Neunter. In der Gesamtwertung festigte die DDR ihren dritten Platz.

7. Etappe Katowice – Wroclaw 185 km

Auf dieser schweren Etappe gab es eine Massenankunft des Hauptfeldes. Wieder war der Tscheche Jan Vesely der schnellste Mann. Doch der Träger des gelben Trikots wurde Dritter und behauptete den ersten Platz in der Gesamtwertung. DDR-Fahrer Weber wurde Fünfter. Die DDR-Fahrer Dinter, Fensl, Meister und Trefflich wurden zusammen auf Platz acht gesetzt.

8. Etappe Wroclaw – Lodz 218 km

Auch auf diesem langen Teilabschnitt kam das Hauptfeld weitgehend geschlossen am Zielort an. Lothar Meister wurde beim Schlussspurt Fünfter. Alle anderen DDR-Fahrer wurden mit knapp einer Minute Rückstand auf Platz elf gesetzt. Die Mannschaft der DDR verkürzte ihren Rückstand auf Ungarn auf knapp eine Minute. Paul Dinter lag nach dieser Etappe mit etwas mehr als 22 Minuten Rückstand auf Platz 13 der Gesamteinzelwertung und war damit zweitbester DDR-Fahrer.

9. Etappe Lodz – Warschau 140 km

Auf der Schlussetappe gab es nochmals eine Ankunft in einem Stadion. Eine kleine Spitzengruppe hatte sich abgesetzt, aus der heraus der Tscheche Ruzicka den Tagessieg holte. Dann folgte eine Verfolgergruppe, in der Trefflich, Meister, Fensl die Ziellinie überquerten. Paul Dinter hatte noch 30 km vor der Zielankunft einen Rahmenbruch und kam mit dreieinhalb Minuten Rückstand auf Platz 27 durch das Ziel gefahren. Da nur zwei ungarische Fahrer in der Spitzengruppe fuhren, konnte die deutsche Mannschaft den Zeitrückstand vom Vortag aufholen. Die Mannschaft kam somit auf einen hervorragenden zweiten Platz in der Gesamtwertung. Der Erfolg wurde gekrönt durch den zweiten Platz von Lothar Meister in der Einzelgesamtwertung.

Gesamtwertung der Friedensfahrt 1951 in polnischer Sprache, Quelle: Familienarchiv

Wie hoch einzuschätzen der Erfolg der Mannschaft war, kann man auch daran sehen, dass nur zwei von insgesamt zwölf gestarteten Teams vollzählig ans Ziel kamen. Von den 71 gestarteten Fahrern sahen auch nur 48 die Ziellinie. Die Mannschaft der DDR war von Anfang an vom Pech verfolgt. Defekte am laufenden Band machten es den Fahrern nicht leicht, motiviert immer wieder dem Feld hinterher zu fahren. Oft blieben zwei Kameraden zurück, um das Aufschließen des Pechvogels zum Feld zu erleichtern. Diese mannschaftliche Geschlossenheit bildete des Grundstein für den von niemandem erwarteten zweiten Platz. Der herrschende Teamgeist wurde auch von den anderen Mannschaften zur Kenntnis genommen und auch in der ausländischen Presse lobend erwähnt. Auch das Sturzpech war der Mannschaft hold. Gaede, auf der ersten Etappe schon schwer gestürzt, biss sich trotzdem tapfer durch. Weitere Stürze der anderen Fahrer folgten auf den folgenden Etappen. Einzig Paul Dinter blieb diesmal vom Pech des schweren Stürzens befreit.
Paul Dinter kam am Ende in der Gesamteinzelwertung mit einem Rückstand von etwas unter 25 Minuten auf den Spitzenplatz auf einen hervorragenden 14. Platz und war nach Lothar Meister der zweitbeste DDR-Fahrer. Trefflich belegte Platz 15, Fensl Platz 16, Gaede Platz 39 und Weber Platz 41 in der Schlusswertung.