Familie Cichy

Aus Polen nach Brandenburg

Dieser Artikel stellt momentan nicht den aktuellsten Stand meiner Forschung dar. Zwischenzeitlich habe ich eine Fülle neuer Daten erhalten, die ich zunächst in zwei Blogbeiträgen veröffentlicht habe. Die Informationen werden später in den folgenden Artikel eingearbeitet.

Blog Cichy I

Blog Cichy II

 

Familienname Cichy – Die Linie meiner Großmutter

Meine Großmutter väterlicherseits war eine geborene Cichy. Der Familienname Cichy stamm offenbar aus dem polnischen Sprachgebrauch und bedeutet soviel wie „still oder ruhig“. Eine weitere Herleitung als Herkunftsname vom ostpreußischen Dörfchen Czychen ist auch denkbar.

Der Familienzweig wurde von mir bisher wenig erforscht. Erfahrungsgemäß sind die Informationen zu den jüngeren Generationen einer Familie umfangreicher als die der weit zurückliegenden Vorfahren. Dank eines Tagebuches meiner Urgroßmutter sind z.B. die letzten Tage meines Urgroßvaters sehr gut dokumentiert und offenbaren ein tragisches Schicksal, wie es sicher tausende Familien in den letzten Tagen des II. Weltkriegs erleben mussten.

Ausgehend von meiner Großmutter konnte ich jedoch einige Informationen zur Familie in Erfahrung bringen.

Ältester bekannter Ahn der Familie Cichy ist Ignatz Cichy. Er wurde etwa 1826 geboren. Wo er geboren wurde, ist bisher unklar. Ignatz heiratete 1847 in Obra die ein Jahr jüngere Barbara Przybyla. Die Geburtsdaten errechnen sich aus den Altersangaben bei der Heirat. Der Name Przybyla ist in etwa dem deutschen Namen Neumann gleichzusetzen und dementsprechend sehr häufig. Weitere Daten zu den beiden Eheleuten gibt es bisher nicht.
Am 7. März 1855 wird den Eheleuten ein Sohn geboren und auf den Namen Josef getauft. Die große Lücke zwischen Heirat der Eltern und Geburt des Sohnes lässt vermuten, dass es weitere Kinder der Eheleute Cichy/Przybyla gab, die bisher aber nicht bekannt sind.

Der Geburtsort Jacyniec ist dahingehend sehr interessant, als das dieser Ort, zumindest zeitweise, Lebensort eines weiteren Zweiges meiner Familie war – der Familie Janeczek. Eine Verbindung beider Familien in früheren Generationen scheint nicht ausgeschlossen. Kirchliche Handlungen fanden im zwei Kilometer entfernten Obra statt.

Kirche in Obra 2016, Foto Norbert Seyer

Josef Cichy ehelichte im Jahr 1880 Agnes Piatyszek, die am 6. April 1859 in Jacyniec geboren wurde.
Das Ehepaar bekam insgesamt neun Kinder.

1. Christian Cichy, weitere Daten unbekannt, heiratete vor 1903 Martha Knie. Mindestens ein Sohn wurde in Zeuthen geboren.

2. Pauline Cichy wurde am 18. Juni in Jacyniec geboren. Sie heiratete 1906 Friedrich Max Petzel in Deutsch Wusterhausen. Ein Sohn wurde 1906 geboren.

3. Marianna Cichy wurde am 3. August 1884 in Jacyniec geboren. Sie heiratete 1907 August Heinrich Franz in Deutsch Wusterhausen. Die beiden hatten mindestens zwei Kinder. Marianna starb 1959 in Berlin-Köpenick

4. Jacob Cichy wurde am 25. Juli 1886 in Jacyniec geboren. Er heiratete 1911 Selma Alwine Maiwald in Berlin. Das Ehepaar hatte mindestens zwei Kinder. Jacob starb 1961 in Berlin.

5. Felix Cichy wurde am 20. November 1891 in Wegierki geboren und heiratete 1919 in Königs Wusterhausen Auguste Heinrich. Die beiden hatten zwei Söhne. Felix jr. fiel 1944 im Norden Russlands. Der Vater starb 1964 in Königs Wusterhausen

6. Veronica Cichy wurde am 7. Januar 1895 in Wreschen geboren. Sie wurde 1909 in Königs Wusterhausen gefirmt. Weitere Daten sind nicht bekannt.

7. Katharina Cichy wurde am 27. Oktober 1896 in Gozdowo geboren und heiratete Ludwig Dombrowski. Die beiden hatten mindestens zwei Söhne. Katharina starb 1966 in Berlin-Buch.

8. Wladislaus Cichy wurde am 18. Juni 1898 in Klothildenhof/Posen geboren und heiratete 1924 Johanna Hedwig Scholz in Wildau. Es wurden mindestens zwei Söhne geboren.

Als Beruf des Josef Cichy wird in den Kirchenbüchern bzw. vorliegenden Urkunden Ackerwirt, später auch Meier und Arbeiter angegeben. Möglicherweise resultiert daraus eine Art Wanderschaft der Familie und die unterschiedlichen Geburtsorte der Kinder.
Um die Jahrhundertwende zog die Familie mit allen Kindern nach Wildau bzw. in eines der umliegenden Dörfer. Ab 1903 lassen sich kirchliche Handlungen der Familie im Kirchenbuch von St. Elisabeth Königs Wusterhausen nachweisen.

Im Jahr 1919 wohnten die Eheleute in der Kottbusser Straße 50 in Königs Wusterhausen. Dort starb Agnes Piatyszek am 17. Juni 1919 an Asthma. Sie wurde zwei Tage später in Königs Wusterhausen beigesetzt.
Wahrscheinlich lebte Josef zuletzt bei seiner Tochter Katharina in Berlin-Kreuzberg. Er starb am 20. März 1935 in Berlin, Prinzenstraße 8, an Herzschwäche. Unter dieser Adresse findet sich im Adressbuch der Stadt Berlin der Eintrag für einen L. Dombrowski. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelte es sich hier um Josefs Schwiegersohn Ludwig, der mit Katharina Cichy seit 1921 verheiratet war. Angezeigt wurde der Tod vom Arbeiter Jakob Cichy. Die Sterbesakramente erhielt Josef zuvor vom Pfarrer aus St. Michael. Er wurde drei Tage später in Königs Wusterhausen beigesetzt. Josef hinterließ acht Kinder und 17 Enkelkinder.

Familienbild um 1923, Quelle: Familienarchiv

Franz Cichy, mein Urgroßvater und fünftes Kind der Eheleute Cichy/Piatyszek, wurde am 10. Oktober 1889 in Wegierki (dt. Wilhelmsau) geboren. Wegierki gehört heute zur polnischen Stadt Września (Wreschen) in der Woiwoddschaft Großpolen und befindet sich etwa 50 km östlich von Posen. Getauft wurde er am 14. Oktober in Gozdowo.
Franz Cichy heiratete am 28. Juni 1918 seine Braut Gertrud Hoffmann in Königs Wusterhausen. Das Ehepaar hatte zwei Kinder. Meine Großmutter Elisabeth Charlotte wurde am 18. November 1920 in Königs Wusterhausen geboren. Ihr Bruder Theodor Franz am 10. Januar 1922 ebenda.

 

Gertrud Hoffmann wurde am 10. Mai 1891 in Buchwald bei Liebau in Schlesien geboren. Ihre Eltern waren der Bauerngutsbesitzer Anton Franz Hoffmann und seine Frau Catharina Baschek. Anton Franz Hoffmann soll auch der Bürgermeister in Buchhwald gewesen sein. Er ermöglichte seinen Kindern eine gute Schulbildung. Gertrud Hoffmann beherrschte die deutsche Sprache in Wort und Schrift ausgezeichnet.
Franz Cichy arbeitete in den Wildauer Werken von Schwartzkopff als Lackierer. In der katholischen Kirche St. Elisabeth Königs Wusterhausen leitete er viele Jahre den Kirchenchor. Er soll Zeit seines Lebens deutsch mit starkem polnischen Akzent gesprochen haben, polnisch hingegen sprach er gut. Aus diesem Grund betreute er während des Krieges auch polnische Zwangsarbeiter in den Schwartzkopffwerken. In einem Buch über die Zwangsarbeit bei Schwartzkopff wird er namentlich erwähnt und dass er sich während dieser Zeit gut um die Zwangsarbeiter gekümmert hatte.

Gegen Ende des II. Weltkrieges rückte die Rote Armee auf ihrem Weg nach Berlin auch gegen Wildau vor. In Wildau wurde eine Volkssturmeinheit zusammengestellt, die unter anderem die strategisch wichtige Autobahnbrücke zwischen Königs Wusterhausen und Wildau verteidigen sollten. Die letzten Tage des Krieges sind detailliert von Gertrud Hoffmann aufgezeichnet worden. Ihr Tagebuch aus dieser Zeit und ein späterer Brief an ihre Tochter Elisabeth, in dem sie ihr den Tod des Vaters schildert, geben genaue Einblicke zum Tod von Franz Cichy in den Lausebergen bei Königs Wusterhausen. Ein sehr interessantes und auch berührendes Zeitdokument einer Frau, die ihren toten Mann im Wald gefunden hat, ihn aber dennoch nicht begraben konnte.
Der Brief an die Tochter ist in einem separaten Artikel weitgehend originalgetreu wiedergegeben.
In diesem Brief an die Tochter Elisabeth beschreibt Gertrud, dass ihr Mann in einem kleineren Massengrab mit etwa zwanzig anderen Personen begraben wurde. Die Gräberliste der Stadt Wildau listet ihn jedoch in der Sammelgrabanlage der Abteilung 4 auf, in der sich insgesamt 66 Tote befinden. Welches Grab ist nun die richtige Ruhestätte?

Kleineres Massengrab auf dem Friedhof in Hoherlehme, Foto Norbert Seyer 2016

Gertrud Hoffmann starb am 31. Mai 1964 im Krankenhaus von Zernsdorf und wurde am 4. Juni 1964 in Zeesen beerdigt.