Tod eines Volkssturmannes

Franz Cichy – Mein Urgroßvater

Meine Großmutter väterlicherseits war eine geborene Cichy. Dieser Familienzweig wurde von mir bisher wenig erforscht. Dank eines Tagebuches meiner Urgroßmutter sind die letzten Tage meines Urgroßvaters jedoch sehr gut dokumentiert und offenbaren ein tragisches Schicksal, wie es sicher tausende Familien in den letzten Tagen des II. Weltkriegs erleben mussten.

Franz Cichy wurde am 10. Oktober 1889 in Wegierki (dt. Wilhelmsau) als Sohn des Ackerwirts Josef Cichy und seiner Frau Agnes Piatyszek geboren. Wegierki gehört heute zur polnischen Stadt Września (Wreschen) in der Woiwoddschaft Großpolen und befindet sich etwa 50 km östlich von Posen. Getauft wurde er am 14. Oktober in Gozdowo. Seine Eltern lebten mit ihren älteren Kindern zunächst in Jazyniec, einem kleinen Ort in der Nähe von Obra. Das ist vor allem dahingehend interessant, als dass andere Vorfahren von mir ebenfalls aus diesem kleinen Dörfchen stammten. Hier ist als Forschungsansatz eine mögliche Überschneidung der Familien zu prüfen.

Vor der Geburt des Franz Cichy verzog die Familie dann nach Wegierki, wo noch ein weiterer Sohn geboren wurde. Zwei weitere Kinder der Eheleute Cichy/Piatyszek kamen dann Wreschen bzw. in Gozdowo zur Welt. Das neunte und letzte Kind kam 1898 in Klothildenhof/Posen zur Welt.
Um die Jahrhundertwende zog die Familie vermutlich mit allen Kindern nach Wildau. Ab 1903 lassen sich kirchliche Handlungen der Familie im Kirchenbuch von St. Elisabeth Königs Wusterhausen nachweisen.

Franz Cichy heiratete am 28. Juni 1918 seine Braut Gertrud Hoffmann in Königs Wusterhausen. Das Ehepaar hatte zwei Kinder. Meine Großmutter Elisabeth Charlotte wurde am 18. November 1920 in Königs Wusterhausen geboren. Ihr Bruder Theodor Franz am 10. Januar 1922 ebenda.
Franz Cichy arbeitete in den Wildauer Werken von Schwartzkopff als Lackierer. In der katholischen Kirche St. Elisabeth Königs Wusterhausen leitete er viele Jahre den Kirchenchor. Er soll Zeit seines Lebens deutsch mit starkem polnischen Akzent gesprochen haben, polnisch hingegen sprach er gut. Aus diesem Grund betreute er während des Krieges auch polnische Zwangsarbeiter in den Schwartzkopffwerken. In einem Buch über die Zwangsarbeit bei Schwartzkopff wird er namentlich erwähnt, dass er sich während dieser Zeit gut um die Zwangsarbeiter gekümmert hatte.

Gegen Ende des II. Weltkrieges rückte die Rote Armee auf ihrem Weg nach Berlin auch gegen Wildau vor. In Wildau wurde eine Volkssturmeinheit zusammengestellt, die die strategisch wichtige Autobahnbrücke zwischen Königs Wusterhausen und Wildau verteidigen sollten. Die letzten Tage des Krieges sind detailliert von Gertrud Hoffmann aufgezeichnet worden. Es existiert ihr Tagebuch aus dieser Zeit und ein späterer Brief an ihre Tochter Elisabeth, in dem sie ihr den Tod des Vaters schildert. Ein sehr interessantes und auch berührendes Zeitdokument einer Frau, die ihren toten Mann im Wald gefunden hat, ihn aber dennoch nicht begraben konnte.
Der Brief soll an dieser Stelle weitgehend originalgetreu wiedergegeben werden.

Wildau den 17.November 1945
Meine liebe Lilo, am Vortag Deines Geburtstages will ich nicht versäumen, Dir ein paar Zeilen zu schreiben. Vorhin habe ich ein paar Astern, die einzigen vier blühenden Stengel aus meinem Garten geholt und als Dir dargebrachten Geburtstagsstrauss vor Papas Kreuz zwischen die beiden kleinen Primeltöpfchen auf den kl. Tisch gestellt. Ich hörte vormittag als ich zur Kirche ging von Gerhard, das Du geschrieben hättest, den ausführlichen Brief hättest Du nicht bekommen, auch Herr Seyer sagte es, da will ich Dir also nochmal ein bisschen ausführlich schreiben. Das kl. Kreuz in der Stube hat mir ein Sohn von Fr. Heller gemacht, da steht Name und Geburts- u. Sterbedatum von Papa darauf. Das einzige Passbildchen was ich habe, steht an das kl. Kreuz gelehnt und dann habe ich immer ein paar Blumen oder Töpfe daneben stehen, damit unser lieber Papa eine Ehrung erfährt, die er sich ja so sehr verdient hat.

Liebe Lilo! Die Tage werde ich wieder zum Massengrab gehen und sehn, dass ich seine Stelle noch ein bisschen schmücken kann. Er liegt an 8. Stelle. 2 S.S. Soldaten aus Hamburg, ein Leutnant von der S.S. ein unbekannter Hitlerjunge ein paar fremde Soldaten und 3 Volkssturmmänner von Wildau, Seeger, Heimann u Merkel, im ganzen 18 liegen darin. Daneben eine Mutter, die ihren 6 Jahre alten Jungen und sich erschossen hat, dann noch einige Gräber mit mehreren Personen. Herr Schipplik liegt eine Reihe von Papa weiter. Theater-Schulz liegt in Wustermark wo er gefallen ist. Mehrere andere liegen einzeln. Papa ist deshalb in das Massengrab gekommen, weil Bauer Lehmann am Sonntagvormittag ein Wagen voll Leichen aus dem Wäldchen Hoher-Lehme nach dem Kirchhof gebracht hat, wo Papa dabei war, als er die anderen holen wollte, haben ihm die Russen den Wagen u. die Pferde weggenommen, deshalb sind diese einzeln in Gräbern. Herr Pfarrer wollte Papa neben der Kirche beerdigen, wo schon ein Berliner Volkssturmmann liegt, und ich ging deshalb zu Lehmann ob er Papa hinfahren wolle, andernfalls hätte ich ihn mir auf unseren Wagen gelegt und hingefahren, aber da sagte H.L. dass er sie eben am Vormittag zum Friedhof gebracht hätte. Sonnabend nachmittag waren die Leichen noch nicht zur Beerdigung freigegeben, da hiess es, ich bekäme Bescheid und nach ein paar Stunden sind sie verscharrt worden wie tote Hunde. Nach vielen Wochen war das Requiem, als sich alles etwas beruhigt hatte, denn es konnte sich die erste Zeit niemand trauen zur Kirche zu gehn, es wimmelte alles vor Russen man konnte es niemand zumuten, einen Weg in den andren Ort zu machen und nach noch längerer Zeit hat Herr Pfarrer mal gelegentlich die Stelle eingesegnet, ich war auch nicht dabei, aber eben zuvor auf dem Grab gewesen, ich habe die Leute zur Beerdigung im Eingang begegnet, bei welcher Gelegenheit unserer Pfarrer die Einsegnung vorgenommen hat. Ich hatte mit ihm zuvor gesprochen, da wollte ich allen Verwandten Bescheid sagen lassen, damit wir wie zu einer Beerdigung dabei sein könnten, er hat es allein getan.

Nun noch mal kurzgefasst den Hergang. Papa war seit einigen Tagen wieder Volkssturmmann, erst oben in den Hoher-Lehmer Baracken zuletzt unten hinter der Brücke in der Rote-Kreuz Baracke. Hatte nachts von 1 – 3 U. Brückenwache, war vor 1 im Keller bei uns, wir waren alle unten, weil der Beschuss schon stark war, um 3 kam er nochmal und sagte, dass neben Torbas ein Treffer sei. Um 5 Uhr kam er nochmal, und sagte, er wolle sich verabschieden, sie müssten zum Einsatz in die Lauseberge. Er wickelte mir die Füsse noch mal ein, denn ich fror, ich sass auf dem Liegestuhl in der Cocksecke, in unserm Keller lag eine Flüchtlingsfrau mit ihrem Kind. Ich rief Papa nach, als er die Kellerstufen heraufging: „Komm wieder Franz!” Er war aufgeregt. Er konnte nicht warten, er sagte, die anderen stehn an der Strasse, sie warten auf mich. – Wäre er gar nicht mehr gegangen, da hätte er klüger getan. Aber daran hat er nicht gedacht und ich auch nicht, er hätte das auch nicht getan und ich hätte es auch nicht gewollt, für eine solche unehrenhafte Handlung wären wir beide nicht gewesen, trotzdem unsere Führung nicht wert war, dass nur ein Soldat für sie gestorben ist. Hitler das Schwein hat sich erschossen als er die ganze Welt ins Unglück gestürzt hatte u. Himmler dieser Erzhalunke hat sich vergiftet eben auch Göbbels, das waren die schlimmsten 3, diese sind weg, die haben die Hauptschuld, die anderen sind nur mehr untergeordnet. – Als es grau wurde, gingen wir mal auf die Strasse, da wurden Panzer aufgefahren, an der Brücke einer, am Konsum und am Turnplatz. Nun ging die Schiesserei immer toller los, es klirrte und krachte und man dachte, das Haus stürzt zusammen. Bei Liedichs ein Treffer bei Onkel Wladi und bei Lewicki, bei Thema bei Teschners im Haus. Im Konsum in der Post und verschiedenen Häusern. In der Blankstr. keine Treffer. Gegen 2 Uhr war Wildau gefallen. Zuvor war ein S.S. Soldat im Keller, er war so erregt. Er sagte, sie hätten fast keine Munition mehr, alle nicht. Es würde bald zu Ende sein. Und gegen ¼ – ½ 3 waren die Russen schon im Keller. Fragten nur nach Soldaten, waren freundlich. Die weißen Fahnen wurden gehisst und man dachte, na jetzt ist es zuende, nun brauchen unsere Männer nur nach Hause zu kommen. Als erster kam Herr Scherbarth. Er wusste nichts von Papa. (hatte sich aus dem Staube gemacht und ein paar St. im Stollen gesessen). Andern Tag kamen wieder welche. Papa noch nicht, ich rechnete er könnte verwundet sein irgendwo liegen und auf mich warten, dass ich ihm etwas zu trinken bringe. Ich ging in der Nachbarschaft rum ob, jemand mitgehe Papa suchen, denn die ich gefragt hatte, hatten sich nicht bei ihm befunden. Ich hatte Kaffee u. Stullen bei mir, Schokolade, eine Decke in die ich ihn wickeln wollte u. ein paar Stangen würden wohl im Walde sein, mit deren Hilfe ich ihn gedachte, nach Hause zu tragen. Es fand sich aber keiner. Herr Merten sagte, dass ich noch gar nicht hin könnte, weil noch Russen dort wären. Andern Tag ging ich wieder auf die Suche, aber Frau Rust hatte Bescheid von ihrem Mann, Lenchen Torba ging nicht mit, Franz Ludwig seine Frau auch nicht, aber der Junge sollte mit gehen, er war aber nicht da, ich wartete, aber er kam nicht. Ich ging noch mal nach Hause kochte mir was zu Essen und sagte Frau Rohde, sie käme mit. Wir begegneten Herrn Liedig, er hatte nach Hans Torba gesucht, aber nicht gefunden, Papa hätte er nicht gesehen. Ich rechnete nun schon, das was passiert sein könnte. Herr Liedig hatte Papa gesehen, aber nicht erkannt. Wir wollten nun nach der Siedlung wo 45 Tote liegen sollten. Da Papa nicht in den Lausebergen sei und ich drehte mit Frau Rohde um.

Unterwegs traf ich den Zugführer und fragte nach Papa, er sagte, Frau Cichy ihr Mann ist tot. Er war der erste aus meinem Zug den ich tot fand, es war gegen 11 Uhr da war er noch warm. Wir gingen wieder zurück, denn Papa lag doch in Hoher-Lehme, und zwar am Anfang des Wäldchen ein Stück hinterm Tonteich. Der Zugführer hob die Decke und ich bin so erschrocken, darunter lag unser lieber, guter Papa. Die Augen offen, starr und glasig, der Mund offen, das Gebiss verschoben, das Gesicht gelblich-grau, eine kleine rote Stelle am Kopf, an der Stirn, aber keine Wunde. Ich deckte ihn weiter auf bis unter den Leibriemen, aber ich habe keine Wunde gesehen. Die Kleidung war über der Brust aufgeknöpft. Er hatte unter der Volkssturmkleidung seine Zivilkleidung an. Neben ihm lag der Stahlhelm und die blaue Mütze, die zertretene Brille nur ein Zettel wo er die Namen von Arbeitskameraden darauf geschrieben hatte die mit ihm Luftschutzwache gehabt hatten. Der Aluminiumbecher mit der Butter, die ich ihm mitgegeben hatte lag auch neben ihm, die Schuhe hatten sie ihm schon von den Füssen gezogen. Der Zugführer meinte, er könnte ein Granatsplitter bekommen haben, denn hinter ihm war ein Volltreffer und hatte viele Bäume zersplittert. Gesehen habe ich keine Wunde. Ich ging sogleich nach KW um Onkel Felix Bescheid zu sagen. Fr. Rohde hat sich noch die anderen Toten angesehen, der S.S. Leutnant ein Stücken von Papa weg, und der Hitlerjunge und andere, ein Stück ab eine Masse Russen, die haben schon schwarz ausgesehen. Ich ging geradezu auf dem Funkerberg und rief nach Fr. Labsch, sagte ihr, dass Papa gefallen sei. Dann zu Onkel Felix. Da kamen unübersehbare Massen von Russen von Zeesen her, ich konnte mich aber durch eine Lücke über die Straße begeben, ich sah Tante Gustel vor ihrem Haus u. ging rüber und sagte es auch ihr. Sie ist auch sehr erschrocken. Sie ging rauf zu Onkel Felix, sie müssten nämlich die Wohnung räumen weil die Russen schon drinnen waren. Ich ging aber sofort, konnte auch nicht zum Pfarrer weil ich einfach vor Soldaten nicht weiter konnte, nur die Kottbusser Str. war noch passierbar. Ich sagte auch Fr. Graser das Papa gefallen sei. Sie hat es auch sehr bedauert. Das war also Sonnabend nachmittag als ich Papa gefunden hatte. Am Sonnabend Sonntag vormittag hatte mans Herrn Pfarrer gesagt, er lies mich durch Herrn Liedig sagen, dass er Papa neben der Kirche beerdigen wolle wenn ich ihn könnte hinbringen, deshalb ging ich nachmittags gleich rauf zu Lehmann, Onkel Felix war gekommen, ich wollte ihm Papa zeigen in dem Wäldchen, und wie ich schrieb, aber er war schon „eingebuddelt“ wie Lehmann sagte. Wir gingen zum Kirchhofswärter, er sagte, ein Cichy war nicht dabei, es war nur ein unbekannter Volkssturmmann ausser den S.S.- Leuten, 11 sind gebracht worden, als Herr L. die anderen holen wollte, ist ihm das Fuhrwerk genommen worden. Die anderen Toten sind durch andere Männer geholt worden (Montags). Onkel Felix liess sich vom Wärter das Buch zeigen und sagte nach den Nummern und Zahlen die auf der halben Erkennungsmarke gestanden haben ist das mein Bruder. Wir gingen noch mal in das Wäldchen um zu sehen ob Papa noch daläge, aber er war nicht mehr dort, also ist er als Unbekannt beerdigt worden. Die Kopfschmerztabletten lagen noch dort, aufgeweichtes Brot. (es war Gewitter und Regen gewesen) Auch der Volkssturmausweis lag da. Ein Flüchtling aus Ostpr. sagte, Papa hätte Bauchschuss gehabt. Das hat mir furchtbar leidgetan, denn das ist ein schrecklicher Tod. Der Mann sagte auch, dass über 200 Mark bei Papa gelegen hätten und die Kennkarte u. eine Brieftasche, der Besitzer des Siedlerhäuschen nebenan hätte das an sich angenommen. Ich ging hin, er hatte alles weitergegeben an Winzler. Ich ging zu dem hin, der hatte die Kennkarte wieder weitergegeben, von dem Geld schwieg er, ich sagte es ihm aber er stellt sich noch dumm, aber dann holte er 274 Mark aus dem Keller. Dieser Leichenfledderer. Papa hat hart für mich gearbeitet, aber nicht für diesen fremden Mann. Onkel Felix sagte, es wäre ja nicht nur die paar Mark, was wäre heute schon das Geld aber ich habe die Ansicht, das Geld gehört mir, aber nicht dem fremden Kerl. Von was sollte ich denn Miete zahlen wenn ich kein Geld hätte? Onkel Felix hat noch nicht gefragt ob ich was habe oder nicht, noch keiner, ausser Willi Petzel, der hat gesagt ich soll mich an ihn wenden, wenn ich Geld brauche. Noch habe ich etwas und jetzt verdiene ich mir wieder ein paar Mark, durch das Kartoffeln stoppeln haben ich lange nichts verdient. Auch das Holzholen hat mich sehr verweilt. Ich habe es mir geholt und dadurch Geld gespart. Liebe Lilo! Später habe ich gehört das Herr Jagusch mit Papa zusammen war beim Sterben, ich fragte ihn, er sagte, Papa hat tot neben ihm gelegen als sie weiter wollten, Bauchschuss wäre ausgeschlossen. Dann war ich wieder bei dem Hausbesitzer, der sagte, Papa hätte Herzschuss gehabt. Einen schnellen Tod hat er gehabt, Gott sei dank, aber besser wäre er lebte.

Liebe Lilo! Du schreibst, das Du mir Geld schicken willst, wenn es wird angenommen werden, das ist sehr lieb von Dir, aber Du brauchst Dir da noch keine Sorgen machen, etwas habe ich noch. Gewiss, wenn man ein paar Monate nichts verdient, ist es einem etwas ängstlich, wenn man nicht weiss, ob man wieder eine Einnahme haben wird, jetzt habe ich was für Fr. Kürpik was hier, schon lange, hat noch nicht abgeholt. Für Fr. Theinert wird auch eins fertig und eine Fr. aus Zeuthen. Da ist für 1 Monat die Miete reichlich. Aber 1 m Holz gibt es die Woche, Kostenpunkt weiß ich noch nicht. Licht sind auch ein paar Mark. Man brauch eben Geld ohne geht’s eben nicht. Von dem Hilfswerk habe ich nichts bekommen, aber Beiträge habe sie vor kurzem noch angenommen, da dachte Fr. Ruland sie würden auch Geld auszahlen. Für Herrn Mahn ist das letzte mal gezahlt worden. Kurt ist noch nicht da. Von Dinter ist der dritte Sohn da. Kaplan Gessen liess die Gemeinde heute grüßen, er ist aus russ. Gef. entl. und befindet sich in Schleswig-Holsstein. Der Junge von Kirchners gerade rüber von uns ist vom Einsatz als Hitlerjunge auch nicht zurückgekommen. Der 16jährige Junge von Markwarts die über Lummaks wohnen ist auch noch vermisst, Frieses auch noch nicht da. Herr Sternbeck ist in Prag gewesen. Auch keine Nachricht. Von keinem die in der Tschechei sind. Aber ich denke das es nun bald wird. Wenn Hans Cichy in England ist, dauert es auch noch lange. Georg Kempe ist in Gelsenkirchen. Ruth arbeitet bei Schwarzkopf. Lassen grüßen. Tante Frieda hat einen Sohn. Lehningers haben von ihrem Sohn von der Leibstandarte auch keine Nachricht. Auch der Lahme, der bei Hof ist, hat auf den Brief den Fr. Kl. mitnahm noch nicht geantwortet. Liebste Lilo! Verlebe den morgigen Namenstag sehr gut, und vor allem wie ist es Dir heute gegangen, ich habe mich am Anfang des Briefes im Datum geirrt wir haben den 18.11.

Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute besonders gute Nachricht von Deinem Manne und für Dich die Gesundheit und gute Heimkehr wenn es wird besser sein. Es grüßt und küsst Dich von Herzen Deine Dich treue liebende Mama.

Das Massengrab, in dem Franz Cichy begraben ist, ist auch heute noch auf dem Friedhof in Wildau-Hoherlehme zu finden. Nach wie vor ist er als unbekannt begraben.

Nachtrag:

Im August 2020 erhielt ich von der Friedhofsverwaltung der Stadt Wildau die Kopie einer Gräberliste für öffentlich gepflegte Gräber. Darin ist Franz Cichy auch verzeichnet. Hier ist sogar eine Volkssturmeinheit angegeben.  (A Komp. 287). Die vollständige Bezeichnung der Einheit lautet wahrscheinlich 16/287 (die 16 steht hier für das Reichsgau Mark Brandenburg)

In dieser Gräberliste wird als Grabstätte aber nicht das kleinere Massengrab, wie von seiner Witwe beschrieben genannt, sondern die Sammelgrabanlage der Abteilung 4 als letzte Ruhestätte genannt. In dieser Abteilung ruhen insgesamt 66 Tote. Welches ist nun die letzte Ruhestätte?

Eine Grabstelle wird auch beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge genannt. Hier ist es die Kriegsgräberstätte Wildau Abtl. 4, Grab 474/8.


Das folgende Bild zeigt die wahrscheinliche Stelle, an der Franz Cichy den Tod fand. (Historisches Messtischblatt von 1942)