Familienlinie Blache – genannt Reschke

Der verschwundene Name

Meine Urgroßmutter mütterlicherseits war eine geborene Reschke.

Der Name Reschke kommt in Deutschland überdurchschnittlich häufig vor.
Für die Deutung des Namens gibt nach dem Duden mehrere Möglichkeiten. Eine Deutung geht von einem Übernamen zum niedersorbischen rešk für kleine Spitzmaus oder Zaungrasmücke aus. Auch eine zweite Deutungsmöglichkeit geht auf eine sorbische Ableitung, und zwar die der deutschen Rufnamen Reinhard oder Reinold zurück.
Die dritte Möglichkeit einer Deutung ist ein Herkunftsname zu dem Ortsnamen Reschke im historischen Westpreußen.

In dieser Familienlinie tritt die Besonderheit auf, dass im Verlauf von mehreren Generationen ein Familienname weitergegeben wurde, der mit der genetischen Familie nichts mehr zu tun hatte. Wollte man die eigentliche Blutslinie und den Ursprung der Familie weiterverfolgen, müsste man in früheren Jahrhunderten nach dem Namen Blache forschen. Der Name Blache ist heute unterdurchschnittlich häufig in Deutschland vertreten. Eine Deutung des Namens konnte ich bisher nicht finden.

 

Matthäus Blache

Stammvater der Familie ist nach heutigen Erkenntnisstand ein Matthäus Blache. Außer dem Namen und seinem Stand sind so gut wie keine weiteren Daten bekannt.

Der Ursprung der Familienlinie Blache ist im oder um den schlesischen Ort Mühldorf zu suchen. Mühldorf gehört heute zur Landgemeinde Trebschen (polnisch Gmina Trzebiechow) in der Woiwodschaft Lebus und ist etwa 15 km von der Kreisstadt Grünberg (Zielona Gora) entfernt.

Mühldorf oder auch Mühldörfel war früher ein kleiner Weiler, der meist zu Schwarmitz im Kreis Grünberg in Niederschlesien gezählt wurde. Mühldorf u. Schwarmitz gehörten ursprünglich zur ev. Kirche in Kleinitz. Als nach dem 30jährigen Krieg auch in dieser Gegend die Gegenreformation begann, wurde der ev. Pfarrer von Kleinitz von den Wartenberger Jesuiten vertrieben, denn die Herrschaft Wartenberg war den Jesuiten geschenkt worden u. Kleinitz war ein Teil davon. Aufgrund der Nähe zum evangelischen Brandenburg suchten die ev. Adligen um Kleinitz, Schwarmitz, Kontopp und Boyadel Hilfe beim dortigen Kurfürsten, der ihnen den Bau einer Grenzkirche erlaubte. Das war in Trebschen. Diese 1674 neu erbaute ev. Kirche blieb bis 1790 Filiale von Padligar. Kirchenbücher existieren wohl für die Gegend leider nicht mehr. Eine Weiterverfolgung der Familienlinie ist daher wohl auf Zufallsfunde angewiesen.

Taufbescheinigung mit Hinweis auf Matthäus Blache 1936, Quelle: Familienarchiv

Matthäus Blache wurde vor 1772 geboren. Wo, ist nicht bekannt. Er hatte den Stand eines Häuslers. Häusler nannte man die Besitzer kleinster Anwesen, die nur sehr wenig eigenes Land besaßen. Manchmal hielten die Häusler etwas Kleinvieh. Die Größe ihres Besitzes reichte jedoch meist nicht aus, um den Lebensunterhalt der Familie zu decken. Häusler mussten sich aus diesem Grund oft nebenbei als Tagelöhner verdingen. Dennoch galten sie im Gegensatz zu den Leibeigenen als freie Arbeiter. Häusler hatten innerhalb eines Dorfes eine vergleichbar schlechte soziale Stellung. Denkbar wäre auch, dass Matthäus zunächst als Wanderarbeiter oder Tagelöhner in die Gegend kam.

Mit wem Matthäus verheiratet war, ist nicht bekannt. Er hatte aber mindestens einen Sohn.
Auch wann Matthäus starb, ist nicht bekannt.

 

Johann Georg Blache

Johann Georg(e) wurde am 18. Juli 1789 in Mühldorf geboren und einen Tag später in der evangelischen Kirche von Trebschen getauft. Auch er hatte später den Stand eines Häuslers.

Johann Georg war mit Anna (Maria) Rosina Mustroph verheiratet. Anna Rosina wurde um 1791 geboren, wo ist bisher nicht bekannt.
Das Paar hatte mindestens einen Sohn. Johann Samuel wurde am 21. März 1823 geboren, doch Johann Georg erlebte die Geburt seines Sohnes nicht mehr. Er starb am 27. Dezember 1822 in Mühldorf. Er wurde nur 33 Jahre alt.

Sterbebescheinigung von 1936, Quelle: Familienarchiv

Seine Witwe heiratete am 17. Juli 1825 den um 1798 in Mühldorf geborenen Johann Christoph Reschke. Johann Christoph Reschke hatte den Stand eines Einliegers. Seit etwa dieser Zeit wurde auch für den Sohn aus erster Ehe der Familienname Reschke verwendet.
Anna Rosina starb am 14. September 1839 in Mühldorf. Im Kirchenbuch wurde sie als Witwe bezeichnet, das heißt, auch ihr zweiter Mann starb vor ihr. Ob Anna Rosina weitere Kinder hatte, ist bisher nicht bekannt aber wohl recht wahrscheinlich. Beim Traueintrag des Sohnes Johann Samuel im Jahr 1863 wird dieser als ältester Sohn bezeichnet, was den Schluss auf weitere Geschwister zulässt.

 

Johann Samuel Blache genannt Reschke

Johann Samuel wurde am 21. März 1823 in Mühldorf geboren und zwei Tage später in Trebschen evangelisch getauft. Sein Vater war zu dieser Zeit bereits verstorben.

Zwei Jahre nach der Geburt verheiratete sich seine Mutter erneut, und zwar mit dem Einlieger Johann Christoph Reschke. Der neue Familienname Reschke wurde wohl fortan auch für Johann Samuel verwendet. Eine amtliche Adoption des Johann Samuel durch Johann Reschke lässt sich nicht nachweisen, gleichwohl gab es Möglichkeiten der Adoption, die seit 1794 durch das „Allgemeine Preußische Landrecht“ geregelt wurden.

Am Palmsonntag des Jahres 1837 wurde Johann Samuel in Trebschen konfirmiert. Im Kirchenbuch wurde er zu diesem Zeitpunkt auch schon unter dem Namen Reschke geführt.

Johann Samuel blieb später nicht in Mühldorf wohnen, sondern fand eine Arbeit als herrschaftlicher Dienstknecht in Lodenberg, einem Vorwerk zwischen Trebschen und Saabor. Vermutlich diente er dort den Fürsten zu Schoenaich-Carolath, die vom 18. bis 20. Jahrhundert auf Schloss Saabor residierten.

Auszug aus dem Trauregister, Quelle: Familienarchiv

Am 19. April 1863 heiratete Johann Samuel im Alter von 39 Jahren in Saabor die aus Hohwelze stammende Anna Elisabeth Franke. Die Braut war zum Zeitpunkt der Hochzeit 28 Jahre alt und hochschwanger. Anna Elisabeth wurde am 24. Januar 1833 als Tochter des Häuslers Johann Georg Franke und seiner Frau Maria Elisabeth Casimier geboren. Hohwelze liegt etwa 15 km von Lodenberg entfernt.
Einen Monat nach der Hochzeit wurde in Lodenberg der Sohn Johann Friedrich geboren. Am 25. Mai erhielt er die Taufe in Saabor. Johann Friedrich arbeitete später als Postgehilfe in Berlin und heiratete ebenda am 19. Februar 1884 die aus Beetz stammende Anna Ida Emilie Krüger. Das Paar hatte mindestens drei Kinder. Johann Friedrich starb am 24. April 1942 in Berlin-Friedrichsfelde.

Das Ehepaar Reschke bekam noch mindestens einen Sohn. Am 10. Juni 1866 wurde in Saabor Johann Karl Heinrich geboren. Johann Samuel wurde im Kirchenbuch bei der Geburt als Hirte bezeichnet. In späteren Aufzeichnungen wurde er dann auch als Tagearbeiter oder nur als Arbeiter genannt.

Am 9. November 1877 starb Johann Samuel in Saabor und wurde vermutlich auch dort begraben.

Seine Witwe zog später, möglicherweise zu einem ihrer Söhne, nach Berlin. Mindestens ab 1890 wird Anna Elisabeth als in Berlin wohnend genannt. In den Adressbüchern von Berlin konnte ich sie in verschiedenen Jahrgängen jedoch nicht finden, was wahrscheinlich bedeutet, dass Anna Elisabeth keine eigene Wohnung besaß, sondern zur Untermiete wohnte. Als letzte Meldeadresse ist bei ihr die Fröbelstraße 17, in Berlin Prenzlauer Berg, angegeben. Unter dieser Adresse befand sich seit Mitte der 1880er Jahre das Friedrich-Wilhelm-Hospital mit angeschlossenem Siechenhaus. Das Städtische Friedrich-Wilhelm-Hospital mit seinen 500 Plätzen und das Siechenhaus mit 1000 Pflegeplätzen waren nach den damals modernsten Standards des Gesundheitswesens errichtet worden, um den steigenden Einwohnerzahlen Berlins gerecht zu werden.

Da Anna Elisabeth zuletzt unter oben genannter Adresse gemeldet war, gehe ich davon aus, dass sie nicht im Krankenhaus verstarb, sondern zuletzt einen Platz im Siechenhaus, also in einem Vorläufer der heutigen Altersheime, bewohnte. Aus dem Eintrag beim Standesamt Berlin VIII 1011/1916 geht hervor, dass sie dort am 4. März 1916 starb. Im Kirchenbuch der Berliner Immanuelkirche ist als Sterbedatum jedoch der 5. März 1916 eingetragen. Hier ist auch die Todesursache „Herzlähmung“ verzeichnet. Am 8. März wurde sie, wahrscheinlich auf dem Friedhof von St. Bartholomäus Berlin-Weißensee, begraben. Die Immanuelkirche ist eine Tochterkirche von St. Bartholomäus.

 

Johann Karl Heinrich Reschke

„den siebzehnten Juni [1866] wurde getauft: Johann Karl Heinrich Reske (sic!) des herrschaftlichen Hirten Samuel Reske in Saabor der von seiner Ehefrau Anna Elisabeth geb. Franke am 10tn [Juni] abends halb 8 Uhr geborene Sohn
Pathen: 1. Jgfr. Anna Elisabeth Pioch, Hirtentochter in Stoschenhof; 2. Jgfr. Johanna Dohnt, Einwohnertochter in Lodenberg; 3. Karoline Wilhelmine Zerbock, Häuslersfrau in Saabor.“ So steht es nachzulesen im Kirchenbuch von Saabor.

Auszug aus dem Taufregister, Quelle: Familienarchiv

Auch Johann zog es in die Reichshauptstadt nach Berlin. Er erlernte den Beruf eines Schuhmachers, später wurde er Schuhmachermeister. Im historischen Adressbuch von Berlin ist ein Schuhmacher H. Reschke im Jahr 1888 in der Borsigstraße 7 und später, 1890 in der Wrangelstraße 125 verzeichnet. Zumindest bei der zweiten Eintragung handelt es sich zweifelsfrei um unseren Ahn.

Am 27. Mai 1890 heiratete Johann in Bad Freienwalde die Gärtnerstochter Marie Luise Krüger. Marie Luise wurde am 26. April 1867 in Freienwalde/Oder als Tochter des Gärtners Johann Friedrich Krüger und seiner Frau Wilhelmine Mittelstädt geboren. Einen Monat später wurde sie in Freienwalde getauft.

Wo das Paar sich kennen lernte, ist nicht bekannt. Möglich wäre, dass Luise als Dienstmädchen in Berlin in Stellung war.

Familie Reschke etwa 1892, Quelle: Familienarchiv

Zwei Kinder wurden dem Ehepaar geboren. Am 22. März 1891 kam ein Mädchen zur Welt und wurde Frida Anna Ida genannt. Wohnadresse der Eheleute war die Wrangelstraße 125 in Berlin-Kreuzberg. Knapp drei Jahre später, am 12. September 1894, wurde ein Sohn geboren und Johann Karl Willi getauft. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Familie in der Cuvrystraße 9, ebenfalls in Berlin-Kreuzberg. Im Jahr 1900 wohnte die kleine Familie in der Cuvrystraße 12.

Johann Karl Willi Reschke heiratete im Jahr 1920 Else Johanna Mann, die Schwester seines Schwagers. Die Ehe blieb kinderlos. Er starb im März 1973 in Königs Wusterhausen.

Im Frühjahr des Jahres 1904 zog die Familie zurück nach Bad Freienwalde, wahrscheinlich in das Haus des Schwiegervaters. Ein Jahr später, am 9. Mai 1905 nahm sich der Gärtnereibesitzer Johann Friedrich Krüger in Freienwalde durch Erhängen sein Leben.

Obwohl Marie Luise nur das viertgeborene Kind des Verstorbenen war, erbten sie und ihr Mann die Gärtnerei. Johann Karl Heinrich Reschke wurde vom Schuhmachermeister zum Gärtner. Die Gärtnerei befand sich auf dem Scheunenberg 9 in Freienwalde. Gewohnt hat die Familie in der Scheunenstraße 7. Dieses kleine Häuschen befand sich schon mindestens seit 1865 im Familienbesitz und gehörte wohl zunächst der Großeltern mütterlicherseits von Marie Luise. Es existiert heute nicht mehr.

Marie Krüger vor 1918, Quelle: Familienarchiv

Als gegen Ende des Ersten Weltkriegs im Jahr 1918 das Deutsche Reich von einer schweren Grippewelle, die man später auch die „Spanische Grippe“ nannte, heimgesucht wurde und die im Land mehr als 300.000 Todesopfer forderte, starb auch Marie Luise im Alter von 51 Jahren, am 3. Oktober 1918, an der Influenza. Sie wurde am 8. Oktober in Bad Freienwalde beigesetzt.

Am 15. Oktober 1921 heiratete der Witwer ein zweites Mal in Bad Freienwalde. Seine zweite Frau war Auguste Charlotte Dorothea Müller, verwitwete Wolfram. Auch die zweite Frau starb vor ihm, wann, ist bisher unbekannt.
Johann Karl Heinrich Reschke verstarb am 18. Juni 1941 im Krankenhaus von Bad Freienwalde an einem Blasenleiden. Er wurde drei Tage später beerdigt. Die Gärtnerei und das Haus wurden nach seinem Tod an den Kaufmann Stelzner verkauft.

 

Frida Anna Ida Reschke

Frida Anna Ida wurde am 22. März 1891 in Berlin, in der Wrangelstraße 125, geboren. Getauft wurde sie jedoch erst am 1. November 1891 in der St. Thomaskirche. Im Kirchenbuch steht als Wohnort der Eltern nun die Pücklerstraße. Taufpaten waren ein Herr Tietze, Fräulein Krüger und Fräulein Fischer.

Im Frühjahr 1898 kam Frida in die Schule. Eingeschult wurde sie in die VI a der 54. Gemeindeschule in Berlin. Die erhalten gebliebenen Zeugnisse, weisen sie als eine gute Schülerin aus. Zum Wintersemester 1900/1901 wechselte Frida die Schule und besuchte fortan die 81. Gemeindeschule. Trotz zahlreicher versäumter Stunden war Frida immer noch eine gute Schülerin. Als die Familie 1904 nach Freienwalde zog, wechselte Frida erneut die Schule und besuchte im letzten Schuljahr die Volksschule II in Freienwalde.

Am 26. März 1905 wurde Frida in St. Nicolai in Freienwalde konfirmiert.

Frida Reschke 1910, Quelle: Familienarchiv

In Freienwalde lernte sie wahrscheinlich auch ihren späteren Mann kennen, der hier im Ort als Finanzassistent arbeitete. Am 25. Oktober 1919 heiratete Frida in Freienwalde den Steuersekretär Walter Max Karl Mann, der am 11. April 1891 in Berlin geboren wurde. Bei der Trauung wird angegeben, dass Frida keinen besonderen Beruf ausübte.

Als ihr Ehemann im Oktober 1919 in Königs Wusterhausen verbeamtet wurde, zog die Familie um. Wo im Ort die Manns zunächst wohnten, ist noch nicht genau geklärt. Etwa 1923 konnte die Familie eine Doppelhaushälfte in der Friedrichsstraße erwerben.

Hier in Königs Wusterhausen erblickten auch die zwei Töchter der Familie das Licht der Welt. Gerda Marie kam am 10. August 1920 im Schloss von Königs Wusterhausen zur Welt, Ilse wurde am 12. September 1921 geboren.

Die Familie war immer sportbegeistert und aktiv im Ruder-Club Königs Wusterhausen. Zahlreiche Fotos existieren, die die Familie bei Ausflügen mit dem Ruderboot zeigen.

Viele Dokumente zum Leben meiner Urgroßmutter gibt es nicht. Frida kümmerte sich um ihre Kinder, Ehemann Walter verdiente recht gut bei der Stadt. Nach Kriegsende wurde er jedoch wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP aus dem Beamtendienst entlassen. Im Jahr 1950 starb Walter an Magenkrebs. Die Witwe konnte im Haus wohnen bleiben und kümmerte sich häufig um ihre Enkelkinder, da beide Töchter berufstätig waren. Tochter Gerda wohnte später mit ihrer Familie im Haus in Königs Wusterhausen.

Am 11. Dezember 1972 starb Frida im Alter von 81 Jahren in Königs Wusterhausen. Sie wurde am 14. Dezember auf dem städtischen Friedhof beigesetzt.