Die Sache mit dem Kreuz

Katholische St. Elisabeth Kirche Königs Wusterhausen

Beitrag publiziert im Heimatkalender für Königs Wusterhausen und das Dahmeland, Ausgabe 2018

Ein prägendes Element des Kircheninnenraumes unserer sonst eher spartanisch eingerichteten und wenig geschmückten Kirche, ist das große Kruzifix an der Rückwand der Apsis. Ein Triumpfkreuz, das uns einen über den Tod erhabenen Christus zeigt.
Der Kruzifixus gehört im Gegensatz zum Kreuz jedoch nicht zur ursprünglichen Ausstattung der Kirche. Vielmehr schmückten in den letzten 80 Jahren bereits drei verschiedene Jesusfiguren unseren Altarraum.

Entwurf Carl Kühn, Quelle: Archiv St.Elisabeth
Entwurf Carl Kühn, Quelle: Archiv St.Elisabeth

Anfang des Jahres 1937, wahrscheinlich im April, treffen sich der Kirchenarchitekt und Diözesanbaurat Carl Kühn, Baumeister Carl Dirk und der damalige Pfarrer Alfons Thonemann, um über die Ausgestaltung der Kirche zu beraten. Carl Kühn plant für den Kirchenneubau einen repräsentativen Hochaltar, der trotz knapper Kassen realisiert werden soll. Er entwirft außerdem ein massives Holzkreuz in Form eines lateinischen Kreuzes mit verbreiterten Enden, dass Baumeister Dirk aus Kiefer in „sauberer Arbeit anfertigen, liefern und aufhängen“ soll. Der Preis für diese Arbeit beträgt 125 Reichsmark. Die Arbeit wird sofort ausgeführt und bereits am 27.Mai kann der Baumeister die Rechnung für das neue Kreuz stellen.
Auf dem Entwurf ist zwar eine Figur vorgesehen, von einer Anfertigung durch einen Bildhauer oder Holzschnitzer ist jedoch zunächst keine Rede. Wahrscheinlich war die Gemeinde auf Grund der hohen Investitionssumme für den Kirchbau und die drei Glocken nicht mehr in der Lage, eine Bildhauerarbeit zu finanzieren.

Das Blatt wendet sich aber bereits Ende Mai 1937. Auf das Betreiben des Baumeisters Dirk hin hat sich ein Spender für einen Kruzifixus gefunden. Carl Dirk, und nicht Baurat Kühn ist es, der den Pfarrer über die Spende informiert.
Am 30.Mai 1937 verkündet Pfarrer Thonemann der Gemeinde die freudige Nachricht in der Sonntagsmesse. Die Messe findet erstmals in der noch nicht benedizierten Kirche statt, denn es ist gleichzeitig die Abschiedsmesse des Pfarrers, der die Gemeinde verlassen wird.
Auf einem Foto in der Kirchenchronik ist das Kiefernkreuz über dem Hochaltar schon zu erkennen. Noch am gleichen Tag schreibt er einen Dankesbrief an den großzügigen Spender, teilt ihm aber auch gleichzeitig mit, dass er die Gemeinde verlassen wird.
Bei dem Spender handelt es sich um den Rechtsanwalt Ernst Büscher aus Berlin. In welchem Verhältnis der Rechtsanwalt zur Gemeinde stand, muss jedoch offenbleiben.
Die Nachricht, dass nun doch eine Figur für das massive Kreuz angefertigt werden kann, löst wahrscheinlich einen sofortigen Aktionismus aus.

Von Carl Kühn ist bekannt, dass er bei seinen Kirchbauten oft auf dieselben Künstler oder Handwerker zurückgreift. Bei verschiedenen Bauten finden sich unter anderem der Glasmaler Carl Busch oder der Berliner Bildhauer Josef Dorls.
Aus einigen Schriftstücken geht hervor, dass sich auch in unserem Fall Josef Dorls sofort an die Schaffung einer Figur macht. In der Kürze der Zeit ist es ihm aber nicht möglich, bis zum geplanten Kirchweihfest am 1.August 1937, eine Figur zu modellieren.
Auf Bildern der Kirchweihe ist dennoch eine Figur am Kreuz zu erkennen.

Erstes Modell von Dorls 1937, Quelle: Archiv St. Elisabeth
Erstes Modell von Dorls 1937, Quelle: Archiv St. Elisabeth

Dem feierlichen Anlass entsprechend, hat man sich zeitnah um eine pragmatische Lösung bemüht. Kurzerhand befestigt man das Gipsmodell einer früheren Arbeit Dorls am Kreuz. Dieser Kruzifixus, einen leidenden Jesus darstellend, hing ehemals im Hermsdorfer Priesterseminar. Die Gemeinde erhält diese Leihgabe kostenlos.
Josef Dorls fertigt im Sommer 1937 nach den Vorgaben Carl Kühns zunächst ein Gipsmodell für unsere Kirche an. In einem Schreiben vom 24.September 1937 teilt er dem neuen Pfarrer Anton Majewski mit, dass das fertige Modell in seiner Berliner Werkstatt besichtigt werden kann, um dabei auch das weitere Vorgehen für die anschließende Ausführung in Holz zu beraten.
Der Pfarrer besucht daraufhin den Künstler in seinem Atelier und findet das Modell „recht gelungen“.

Offensichtlich gab es bisher keinen weiteren Kontakt zum Spender der geplanten neuen Figur. In einem Brief an den Rechtsanwalt Büscher teilt Pfarrer Majewski nunmehr mit, dass bei Interesse auch Büscher das Modell bei Dorls besichtigen kann. Ob der Rechtsanwalt das Modell besichtigt hat, lässt sich nicht klären. Fest steht, dass bis Ende 1938 keine Arbeit in Holz gefertigt wurde. Offenbar kommt es in der Folgezeit zu Zahlungsverzögerungen seitens der Gemeinde für andere geleistete Arbeiten Dorls. Der Bildhauer sieht sich in einem Schreiben vom 2.Januar 1939 genötigt, ausstehende Zahlungen der Gemeinde anzumahnen. Aus diesem Schreiben geht auch hervor, dass Dorls für die Modellierung des neuen Gipsmodells ein Honorar in Höhe von fünfhundert Reichsmark verlangt und im Falle einer weiteren Zahlungsverzögerung mit einer Beschwerde beim Bischöflichen Ordinariat droht. Wahrscheinlich sieht die Auftragslage Dorls im Berlin der unmittelbaren Vorkriegszeit nicht besonders vielversprechend aus. Er beendet seinen Brief mit den Worten: „Es dürfte Ihnen bekannt sein, daß die wirtschaftliche Lage der Angehörigen meines Berufes durchaus nicht als günstig anzusehen ist und daß zu Beschaffung des Lebens Notwendigen der kleinste Betrag notwendig ist.“

Dieser Appell fruchtete offenbar nicht. Josef Dorls muss sich daraufhin wie angedroht, beim Ordinariat über unsere Gemeinde beschwert haben. Der Beschwerdebrief des Bildhauers ist nicht erhalten, jedoch lassen die Antworten des Pfarrers auf Nachfragen des Ordinariats Rückschlüsse auf die Anschuldigungen zu.
Unter Punkt II berichtet der Pfarrer, das auf Grund von Geldmangel bisher überhaupt kein offizieller Auftrag für die Erstellung eines Kruzifixus erteilt worden ist, gleichwohl eine Auftragsvergabe an Dorls geplant war bzw. immer noch ist. Deshalb habe Dorls in diesem Punkt kein Recht auf eine geldliche Zuwendung. Offensichtlich hatte es Rechtsanwalt Büscher nicht für nötig gehalten, seine Zusage der Stiftung einer Kreuzfigur einzuhalten.
Pfarrer Majewski teilt dem Ordinariat weiter mit, dass die Gemeinde nicht gewillt ist, die geplante Finanzierung der neuen Holzfigur vor Dorls offenzulegen und sich auch nicht von dem Bildhauer erpressen lasse.
Etwa ein Jahr später scheint man sich aber doch geeinigt zu haben. Pfarrer Majewski schreibt in der Kirchenchronik: „5.12.1940, Es ist beabsichtigt das grosse Kreuz mit einem Kruzifixus zu schmücken. Der Bildhauer Josef Dorls-Berlin hat diesen bereits modelliert, ist aber nicht in der Lage, ihn in Holz auszuführen. Deshalb wird, bis ruhigere Zeiten kommen, das Gipsmodell aus Berlin hergeschafft und am Kreuz angebracht.“ In einem Anschreiben zur Rechnung bittet Dorls darum, dass erste Gipsmodell alsbald an ihn zurück zu senden.

Welcher Betrag letztendlich für die Figur gezahlt wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Josef Dorls fertigt im beschriebenen Zeitraum noch zwei weitere Figuren für unsere Kirche. Zum einen stammt die Elisabeth über dem Eingangsportal von ihm, zum anderen ist auch der Heilige Antonius neben der Chortreppe aus der Werkstatt Dorls. Josef Dorls starb 1945 in Berlin.

Kruzifixus von Hertelt vor 1975, Quelle: Archiv St.Elisabeth
Kruzifixus von Hertelt vor 1975, Quelle: Archiv St.Elisabeth

Seine provisorische Jesusfigur schmückt etwa zwanzig Jahre den Altarraum unserer Kirche. Dann endlich kann die Gemeinde einen holzgeschnitzten Christus am Kreuz anbringen lassen. In der Kirchenchronik ist notiert: „Der Korpus des Kreuzes üb. d. Altar war nur aus Gips. Bildhauer Hertelt aus Kottbus (sic!), der auch die anderen Figuren gearbeitet, schnitzt eine neue Figur.“ Diese neue Figur ähnelt in ihrem Aussehen stark dem Gipsmodell von Dorls.
Am 13.April 1961 wird die Arbeit Hertelts aufgehängt und am Karfreitag vor der Gemeinde feierlich enthüllt.

Seit dieser Zeit zieren drei Figuren des Cottbusser Holzkünstlers unsere Kirche. Der Gute Hirte, eine Mondsichelmadonna mit Jesuskind und der beschriebene Kruzifixus.
Die Figuren am Kreuz haben sich innerhalb von 25 Jahren dreimal verändert. Das von Baumeister Dirk gefertigte Kiefernkreuz bleibt immer dasselbe. Allerdings kann man bei genauer Betrachtung der Bilder erkennen, dass der Längsbalken oberhalb des Querbalkens später eingekürzt wurde.

Die Figuren fanden 2008 noch einmal den Weg zurück in ihre Meisterwerkstatt. Im Zuge der Renovierungs- und Restaurationsarbeiten in der Kirche, wurden die drei Figuren abgenommen und nach Cottbus zur gründlichen Überholung gebracht. Allerdings kümmerte sich nicht mehr der Meister selbst um die Arbeit, sondern seine ehemaligen Lehrjungen, mittlerweile selbst Holzbildhauermeister, die Gebrüder Fromelius.

 

Quellen: