Hermann Seyer

Vom Schuhmacher zum Reichsbahnobersekretär

Geburtsurkunde von 1942 StA Havelberg Quelle: Familienarchiv

Die Geburt meines Urgroßvaters Hermann Fritz fällt in eine Zeit, in der Brandenburg-Preußen bereits im Deutschen Reich aufgegangen war. Deutschland hatte jetzt einen Kaiser und Berlin wurde Reichshauptstadt Die Stadt erfuhr in der folgenden Zeit einen nie da gewesenen wirtschaftlichen Aufschwung. Die sogenannten Gründerjahre nahmen ihren Anfang. Berlin wurde zur Weltstadt, einige Jahrzehnte später auch zur Heimat meiner Familie.

Hermann Fritz Seyer, der zweite Sohn von Hermann Hasso, wurde am 9. Juni 1884 in Havelberg geboren und dort am 20. Juli in der Stadtkirche St. Laurentius getauft.
Die Eltern wohnten in der Chausseestraße 7.

Mit etwa sechs Jahren kam Hermann, wie damals alle Kinder im Deutschen Reich, in die Schule. Kinder einfacher Leute besuchten die achtstufige Volksschule. Seit 1888 war der Schulbesuch für alle Kinder kostenlos. Zwischenzeitlich, etwa ab 1893, lebte die Familie für einige Zeit in Vehlgast.

Nach Auskunft seines Sohnes Gerhard ging Hermann Seyer nach Beendigung seiner Schulzeit wohl nach Berlin, um in der Stadt eine Schuhmacherlehre zu beginnen. Als Zeitpunkt könnte man in etwa die Jahrhundertwende annehmen. Wo er diese Lehre absolvierte, ist bisher nicht bekannt.

Garnison Jüterbog

Direkt im Anschluss an seine Lehre als Schuhmacher absolvierte Hermann seinen Militärdienst in der Garnisonsstadt Jüterbog.
Die Anfänge der Garnisonsstadt Jüterbog, die südlich von Berlin liegt, begannen vor mehr als 250 Jahren. Damals gehörte die Stadt noch zum Kurfürstentum Sachsen. 1748 begann man mit der Einquartierung von Infanteriekompanien des Minkwitzschen Regiments. Nach der Niederlage Sachsens in der Schlacht bei Dennewitz 1813, ging Jüterbog 1815 an Preußen.
Im Jahr 1832 konnte der preußische König Friedrich Wilhelm III. dazu bewogen werden, preußisches Militär dauerhaft in Jüterbog zu stationieren. Jüterbog war endgültig Garnisonsstadt. Einzug hielten, zunächst noch in Bürgerquartiere, Regimenter der Feld-Artillerie Preußens.
Durch eine Kabinettsorder wurde 1890 beschlossen, die seit 1867 existierende Preußische Artillerie-Schießschule nach Jüterbog zu verlegen. Zwischen 1890 und 1896 wurden rund um Jüterbog große Heideflächen erworben, um ein größeres, völlig neues Kasernement zu errichten. Es entstanden moderne Laboratorien, Kasernen und Verwaltungseinrichtungen 1890 erfolgte der offizielle Einzug der Schießschule in Jüterbog. Sämtliche Artillerie-Offiziere des Deutschen Reiches wurden in Jüterbog ausgebildet. Die Praktische Ausbildung der Soldaten und Offiziere fand auf dem Schiessplatz vor Jüterbog statt. Seit 1895 gab es in der Feldartillerie-Schießschule drei Lehrkompanien und ebenso in der Fußartillerie-Schießschule drei Lehrkompanien die später ein Lehrbatallion bildeten.
Es ist wohl mit ziemlicher Sicherheit davon auszugehen, dass Hermann in Jüterbog zum Artilleristen ausgebildet wurde. Über Militäreinsätze Hermanns während des ersten Weltkrieges ist nichts bekannt.

Aufstieg bei der Reichsbahn

Hermann Seyer um 1906 Quelle: Familienarchiv

Nach seiner Militärzeit ging er zurück nach Berlin und fand eine Anstellung bei der Deutschen Reichsbahn. Ein ungefährer Zeitraum für seine Rückkehr nach Berlin ist aus den Adressbüchern der Stadt ersichtlich. Adressbücher, die Vorläufer der heutigen Telefonbücher, stellen eine äußerst interessante Quelle für den Familienforscher dar. Sie wurden jedes Jahr neu herausgegeben. Alle Daten, die darin zu finden sind, gelten somit für das vergangene Jahr. Zu den alphabetisch geordneten Nachnamen werden jeweils die Vornahmen des Haushaltsvorstandes genannt. Fast immer ist auch der Beruf angegeben. Auf den Stadtbezirk folgen die Straße und die Hausnummer.
Im Internet sind die Adressbücher der Stadt Berlin von 1799 bis 1943 online einzusehen. Es lassen sich so problemlos Umzüge oder Berufswechsel dokumentieren.
Im Jahre 1909 wohnte Hermann mit seiner Familie in der Hermannstraße 170 in Rixdorf. Als Beruf wird, ebenso wie bei seiner Hochzeit, Bahnangestellter angegeben. Im folgenden Jahr taucht Hermann im Verzeichnis gar nicht auf, was eventuell mit einem Umzug während der Drucklegung zu erklären ist.
Seit 1911 wohnte die Familie in der Berliner Straße 146 in Marienfelde, parterre. Hermann war jetzt Weichensteller bei der Reichsbahn.
Im Jahr 1925 war er schon zum Eisenbahnsekretär aufgestiegen. Ein zwischenzeitlicher Umzug nach Tempelhof begleitete den Aufstieg. Anfang 1933 war die Familie in ein eigenes Haus in der Hranitzkystraße 33 umgezogen.  Hermann war jetzt zum Reichsbahnobersekretär befördert worden.