Berlin-Prenzlauer Berg

Heilige Familie – Berlin Prenzlauer Berg

Die künstlerischen Arbeiten in der katholischen Kirche am Hummanplatz können wahrscheinlich als das Hauptwerk Josef Dorls in Berlin gelten. Die zwischen 1928 und 1930 gebaute Kirche, von den Anwohnern liebevoll der „betende Riese“ genannt, wurde von Diözesanbaurat Carl Kühn entworfen. Einmal mehr ein Beleg dafür, dass Kühn und Dorls des Öfteren gemeinsam an der Gestaltung eines Gotteshauses wirkten.

Zur Kirchweihe des neuen Gotteshauses schuf Josef Dorls 1930 eine Gedenkmedaille.

Pieta; Foto: Pfarrarchiv Heilige Familie

Die neu erbaute Kirche sollte den Berliner Christen als Friedensgedächtniskirche dienen. Hier sollte im Besonderen den Millionen Gefallenen des Ersten Weltkrieges gedacht werden. In der Turmkapelle unter der Orgelempore wurde dafür eigens eine Friedenskapelle eingerichtet, die von der Gemeinde auch als Taufkapelle genutzt wurde. Für diese Friedenskapelle schuf Dorls eine Pieta, die heute in der Form nicht mehr existiertIn einem nicht näher benannten Zeitungsartikel wird diese Arbeit beschrieben: „Die Mutter Gottes steht betend zu den Häupten des im Grabe ausgestreckt liegenden Leichnams Christi. Der Tod ihres geliebten Sohnes hat sie nicht gebrochen: sie betet für seine Mörder und für die Menschheit, die hier in der Großstadt täglich aufs neue mordet, die einige Schritte abseits fast täglich hinter blutroten Fahnen her vorbeizieht und mit einem „Nieder, Nieder“ das Kreuz an der Kirchenfront anschreit. Den Gegensatz von Glaube und Unglaube, christlicher Erlösung und heidnischer Versklavung hat der Künstler hier greifbar deutlich und monumental wirkend veranschaulicht.“ Offensichtlich greift der Schreiber mit seinen politisch motiviert wirkenden Worten die Störmanöver der Kommunisten an, die immer wieder versuchten, den Kirchenbau und insbesondere auch die Kirch- und Glockenweihe mit Aufmärschen und Parolen zu sabotieren.[1] Dorls fertigte für die beiden lebensgroßen Figuren nach Absprache mit dem Diözesanbaurat zunächst Tonmodelle an. Aus Kostengründen wurde die Figurengruppe dann aber erst einmal aus Gips gearbeitet, wodurch diese aber nichts an Wirkung einbüßte. Für die Arbeiten stellt Dorls 2.500 Reichsmark in Rechnung. [2]

Die ausdrucksvolle Wirkung der Pieta verstärkt sich noch durch ein farbig gestaltetes Fenster. In der Mitte des Fensters ist eine Krone mit Lorbeerkranz und ein dazu passender Schriftzug: „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben“ dargestellt. [3]

Altarretabel Heilige Familie; Foto: Konstantin Manthey

Das Innenkonzept der Kirche wurde von Carl Kühn so gestaltet, dass der Blick des Eintretenden unausweichlich auf den Hochaltar geleitet wurde. Im Innenraum der neuen Kirche ist „alles gründliche Ehrlichkeit. Hier wurde an die Tradition des alten Kirchenbaus angeknüpft und mit verhältnismäßig einfachen Mitteln nicht Wirkung vorgetäuscht, sondern Wirkung erreicht.“ [4] Die Inneneinrichtung konnte die Gemeinde wie in vielen neu errichteten Kirchen erst nach und nach zusammentragen. Der von Kühn geplante Hochaltar war jedoch von Anfang an in der Kirche vorhanden. „Er bedeutet in der Gesamtkomposition des Raumes den Mittelpunkt, der jeden Blick einfängt. Das Altarbildnis stellt die Heilige Familie dar. Man muß feststellen, daß in dieser Abweichung von der üblichen Form des modernen Altars ein ausgezeichnetes, wirkungsvolles und würdiges Kunstwerk geschaffen worden ist.“ [5] Dorls fertigte für den Hochaltar ein aus Eiche geschnitztes und vollständig vergoldetes Retabel an. „Von jeder Seite der Kirche fängt er den Blick auf. Es ist die Menschwerdung Christi in ganz eigener Weise dargestellt. Von Gott Vater und dem Heiligen Geist ausgehend steht Jesus im Strahlenglanz als Knabe auf der Erdkugel. Seine Mutter und sein Pflegevater symbolisieren, seinen Worten lauschend, die Christengemeinde. Die Propheten der Erlösung David und Isaias verdeutlichen die Darstellung. Das ganze Werk atmet Würde und Klarheit und veranschaulicht zwingend die kirchlichen Lehren.“[6] Die vom Glasmaler Carl Busch gestalteten, heute jedoch nicht mehr vorhandenen, Kirchenfenster schufen eine eigene Lichtkomposition und brachten den Hochaltar zum Leuchten.

Anfang der sechziger Jahre, im Zuge von Renovierungsarbeiten in der Kirche, wurde die Vergoldung komplett entfernt. Den Verantwortlichen erschien die Vergoldung nicht mehr zeitgemäß.[7]

Modell der Madonnenfigur; Original im Besitz der Familie

Anfang Dezember 1930 erhielt Dorls den Auftrag, für zwei Nebenaltäre die lebensgroßen Figuren einer Rosenkranzkönigin und des Hl. Josef anzufertigen. [8] Für die Figur der Maria fertigte Dorls verschiedene Modelle an. Unter anderem liegen drei dieser Modelle in unterschiedlicher Farbgebung im Ofen- und Keramikmuseum in Velten, eines befindet sich im Besitz der Familie.

In dem bereits mehrfach zitierten Artikel aus den frühen dreißiger Jahren heißt es zu den Figuren etwas schwülstig: „Beide Bildwerke harren der Ausführung in Erlenholz. Es sind Meisterwerke christlicher Bildkunst. Wie ein unpersönliches Wesen scheint die hl. Maria von der Erdkugel aufwärts zu schweben. Ihr mildes Auge und die segnenden Hände senken sich auf die Beter, denen sie den Rosenkranz zeigt. Auch bei der Figur des hl. Josef kommt das, was der Künstler aussprechen will, zwingend zur Geltung: die Darstellung ist eigenartig. Der hl. Josef steht da, gestützt auf eine schwere Säge. Wie in tiefem Denken sieht er auf seine Hände, starke Arbeitshände, die das Tagwerk vollendet haben. Er freut sich, seine Pflicht getan zu haben: Arbeit in christlichem Geiste erhebt den Menschen zu höchster Würde. Auch dieses Bildwerk vereint klassische Ruhe mit unpersönlicher Größe und reißt den Menschen aufwärts.“ [9] Die beiden Figuren wurden damals gestiftet und sind heute noch erhalten. Für die Figuren der Maria und des Josef stellte Dorls am 24. Juli 1931 die Rechnungen in Höhe von jeweils 1.800 Reichsmark. [10]

Die neue Kirche wurde bauzeitlich mit einer Kanzel ausgestattet, deren Brüstung von Josef Dorls gestaltet wurde. Er fertigte die Modelle für vier Reliefs an, die die Sinnbilder der vier Evangelisten darstellen. Zwei Tafeln haben eine Größe von 50 x 50 cm, die beiden anderen messen 50 x 60 cm. Für die vier Modelle stellte Dorls 240,- Reichsmark in Rechnung. [11] Ausgeführt wurden die Arbeiten aus Bronzeblech dann aber vom Metallbildhauer Johann Schmidt aus Berlin. [12]

Eine bemerkenswerte Arbeit, die der Künstler fünf Jahre nach der Kirchweihe schuf, ist der aus Bronze hergestellte Kreuzweg. Die ehemalige Kunstbeauftragte des Bistums Berlin, Frau Dr. Goetz, zählt ihn zu den schönsten, die Berlin zu bieten hat. Es ist erst der zweite Kreuzweg, den Dorls fertigt. Seine erste Arbeit dieser Art ging in seine westfälische Heimat.[13]

Im Unterschied zu den vielfigurig und farbig gestalteten Kreuzwegen des 19. Jahrhunderts kommt die Arbeit von Dorls ohne schmückendes Beiwerk aus. Die Tafeln zeigen fast ausschließlich drei Figuren, Jesus Christus immer in der Mitte. Alle anderen Figuren sind ihm zu- oder untergeordnet. Die Formgebung ist großflächig und abstrahierend angelegt und erreicht darüber eine Steigerung des Ausdrucks, einen expressiven Ernst, der jede Station für sich zum stillen Andachtsbild macht.[14]

Der Märkischen Volkszeitung war die Weihe des Kreuzweges sogar ein eigener Artikel wert. Darin heißt es unter anderem: „Vierzehn Stationen, vierzehn einzelne Kunstwerke, die gemeinsam wieder ein Ganzes bilden sollen. Ein Problem die Wahl des Materials. Dorls hat Bronze genommen. Die glatten, geraden, sachlichen Formen und Linien des Gotteshauses bedingen Schlichtheit und Einsamkeit alles Schmucks. Nirgends verletzt er die Gesetze dieses Materials. Größere Bewegungsfreiheit schafft er sich dadurch, daß er die Bronze nicht gießt, sondern treibt.

Aus niedrigen flachen Sockeln, die die Erde nur andeuten, wächst das Bild-die Plastik hervor. Bilder und Plastiken, die von einer geistigen Auffassung des Gesamtwerkes und der einzelnen Motive zeugen. Ein Kunstwerk das nicht erzählen, sondern anregen will. Anregen zum Beten. Und die Beter sollen gleichsam die Gruppen vervollständigen, sollen mit dem Heiland ziehen auf seinem Leidensweg.“ [15] Der Kreuzweg ist bis heute erhalten

Der Kreuzweg ist so aufgebaut, dass er insbesondere in seiner Einheit einen Spannungsbogen aufbaut. „Von der Statik der ersten Station steigt es auf zum Höhepunkt des dritten Falles, der Kleiderberaubung, der Kreuzigung, und klingt wieder ab über das einsame Sterben des Erlösers, zur Kreuzabnahme, zur todestrauerstillen Grablegung.“ [16]

Das Kreuz steht bei Dorls Arbeit nie im Vordergrund, es bildet gewissermaßen nur den notwendigen Hintergrund. Der Künstler sagte dazu: „Nicht das Kreuz sollte dargestellt werden, sondern der Leidensweg, die Leidensstationen des Gottmenschen.“ [17]

Auffällig ist jedoch auch, dass einzelne Stationen stark an die Gestaltung der Stationen auf dem Wilzenberg erinnern.

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


[1] Vgl. Pfarrnachrichten Heilige Familie, April 2015, Horst Purkart „Was verbindet den Bildhauer Josef Dorls mit unserer Kirche Heilige Familie Teil I“ S.22
[2] Rechnung vom 25.Oktober 1930, Pfarrarchiv Heilige Familie in Kopie von Konstantin Manthey. Die Absprachen mit Kühn und Pfarrer Weber wurde von Dorls am 10.Juni 1930 schriftlich bestätigt. Er erwähnt zum Schluss auch, dass die Ausführung der Gruppe wohl zunächst aus Marmor geplant war und die Künstlerische Überwachung der Ausführung später keine zusätzlichen Kosten verursachen würden.
[3] Vgl. dazu: Dr. Christine Goetz, Festschrift zum 75-jährigen Kirchweihjubiläum der Kirche Heilige Familie, Kirchenfenster von Carl Busch
[4] Märkische Volkszeitung, 28.September 1930
[5] Märkische Volkszeitung, 28.September 1930
[6] Vgl. Pfarrnachrichten Heilige Familie, Oktober/November 2014, Horst Purkart „Was verbindet den Bildhauer Josef Dorls mit unserer Kirche Heilige Familie Teil III“ S.18-19
[7] Vgl.Pfarrnachrichten Heilige Familie; Dezember/Januar 2014/15, Horst Purkart „Was verbindet den Bildhauer Josef Dorls mit unserer Kirche Heilige Familie Teil II“ S.23
[8] Brief von Dorls vom 10.Dezember 1930 an Erzpriester Weber mit der Auftragsbestätigung. Ursprünglich war an eine Ausführung in Eichenholz gedacht. Pfarrarchiv „Heilige Familie“, in Kopie von Konstantin Manthey
[9] Vgl. Pfarrnachrichten Heilige Familie; Dezember/Januar 2014/15, Horst Purkart „Was verbindet den Bildhauer Josef Dorls mit unserer Kirche Heilige Familie Teil II“ S. 23.
[10] Rechnungen vom 24.Juli 1931, Pfarrarchiv „Heilige Familie“, in Kopie von Konstantin Manthey. Die Marienfigur wurde am 28.März 1931 aufgestellt, die Figur des Hl. Josef am 22.Mai 1931.
[11] Rechnung vom 25.Oktober 1930, Pfarrarchiv „Heilige Familie“, in Kopie von Konstantin Manthey, für die Arbeiten erhielt Dorls einen Vorschuss 1000,- Rm. Der Rechnungsbetrag wurde aufgeteilt. Den Restbetrag zahlte die Gemeinde am 12. September 1931
[12] Rechnung vom 29. September 1930, Pfarrarchiv „Heilige Familie“, in Kopie von Konstantin Manthey. Die Verkleidung der Kanzel kostete 1.075 Reichsmark. Kühn arbeitete schon bei seiner ersten Kirche „Mater Dolorosa“ in Berlin-Lankwitz mit Schidt zusammen.
[13] Hier ist möglicherweise der Kreuzweg auf dem Wilzenberg gemeint
[14] Vgl. dazu: Dr. Christine Goetz, Festschrift zum 75-jährigen Kirchweihjubiläum der Kirche Heilige Familie
[15] Märkische Volkszeitung vom 24.Februar 1935
[16] Ebda.
[17] Ebda.