Die Glocken von St. Elisabeth

Die Geschichte der Glocken 1937-2017

Dieser Text erschien in ähnlicher Form im Heimatkalender 2020

Kirchenglocken bilden seit jeher das akustische Dach eines Dorfes oder einer Stadt. Auch wenn man sie selten zu Gesicht bekommt, sind sie doch täglich zu hören. In vergangenen Zeiten ersetzten sie den Menschen die Uhr und gliederten den Tagesablauf. Heute läuten sie den Sonntag ein und rufen die Gläubigen zur Heiligen Messe. Auch sonst ist dreimal am Tag mindestens eine der Glocken von St. Elisabeth zu hören. Um 8.00 Uhr morgens, mittags um 12.00 Uhr und abends um 18.00 Uhr läuten die Glocken zum Angelusgebet.

Glockenweihe 1937. Foto: Archiv St. Elisabeth

Die Grundsteinlegung für die St. Elisabeth-Kirche erfolgte Anfang Februar des Jahres 1937. Ein halbes Jahr später war das Gotteshaus fertig errichtet und wurde am 1. August von Kardinal Konrad Graf von Preysing geweiht. Der Kirchbau, damals hauptsächlich mit Mitteln des Bonifatiusvereins realisiert, wurde spartanisch geplant und wenig prunkvoll eingerichtet, denn für die Inneneinrichtung war die Gemeinde selbst verantwortlich. Trotz knapper Kassen entschloss sich der Kirchenvorstand noch während der Planungsphase, drei Glocken für die neue Kirche anzuschaffen. Aus Kostengründen, die Glocken sollten insgesamt etwas mehr als 2.800 Reichsmark kosten, fiel die Wahl auf Stahlglocken, die in der Herstellung um einiges günstiger waren als Bronzeglocken.

Michaelglocke vor 2017. Foto: Norbert Seyer

Gegossen wurde das neue Geläut in der traditionsreichen Glockengießerei „Schilling & Lattermann“ in Apolda. Als einzigen Luxus gönnte sich die Gemeinde ein elektrisches Läutewerk, auch um sich von Muskelkraft beim Läuten unabhängig zu machen. Bereits der erste Glockenguss war erfolgreich und so konnten die drei Glocken noch während der Bauphase nach Königs Wusterhausen transportiert werden. Am 11. April 1937 wurden sie unter reger Anteilnahme der ganzen Gemeinde geweiht.

Die Töne der drei Glocken sollten etwa den Anfangstönen des „Te Deum“ entsprechen. Traditionell erhalten Glocken bei der Weihe einen Namen und vorab beim Guss die dazu passende Inschrift. Die drei Klangstahlglocken von St. Elisabeth tragen die Namen Michael (Erzengel), Paulus (Missionar des Urchristentums) und Bonifatius (Schutzheiliger der Deutschen).
Die dazu gehörigen Glockeninschriften lauten:

Inschrift auf der Paulusglocke. Foto: Norbert Seyer

„Michael heiße ich, wer ist wie Gott, rufe ich. Für Gottes Ehre kämpfe ich.“
„Paulus ist mein Name, Christus, der Gekreuzigte, der Auferstandene. Gott meine Predigt.“
„Bonifatius bin ich genannt. Die frohe Botschaft trag ich ins Land.“

Schwergewichte waren die Stahlglocken nicht gerade. „Michael“ die große Glocke und damit der tiefste Ton des Geläutes bringt etwa 950 kg auf die Waage. „Bonifatius“, die kleine Glocke, wiegt gerade einmal 380 kg. Wie für damalige Klangstahlglocken üblich, wurden sie an gekröpften Stahljochen im Glockenstuhl aufgehängt. Im linken Turm übereinander, die kleine und die mittlere Glocke, im rechten Turm die große Glocke. So versahen sie fast achtzig Jahre ihren Dienst.
Klangstahlglocken haben jedoch nur eine begrenzte Haltbarkeit. Von innen einsetzende Korrosion, die sich auch durch Anstriche nicht aufhalten lässt, gefährdet die Stabilität der Glocken und mit zunehmendem Alter wächst die Gefahr des Springens der Glocke. Experten schätzen die mittlere Haltbarkeit von Stahlglocken auf etwa achtzig Jahre. Aus diesem Grund entschloss sich die Gemeinde vor einigen Jahren, Maßnahmen zur Anschaffung von neuen Glocken einzuleiten.
Ein halbes Jahr von der Planung bis zur Glockenweihe reicht in heutiger Zeit nicht mehr aus. Viele Behörden, Ämter und Institutionen haben ein Wort bei der Umsetzung eines solchen Bauvorhabens mitzureden. Gutachten müssen eingeholt und zahlreiche Anträge eingereicht werden. Etwa fünf Jahre dauerten die Planungen, bis ein Wunschtermin für das erste Läuten der neuen Glocken genannt werden konnte, das achtzigjährige Kirchweihjubiläum.

Das neue Geläut soll für die „Ewigkeit“ bestimmt sein. Aus diesem Grund war von Anfang an klar, diesmal werden Bronzeglocken angeschafft.
Nach der Empfehlung eines Glockensachverständigen wurden Größe, Gewicht und Klangfarbe gewählt. Der Klang des neuen Geläuts ist nicht identisch mit den alten Stahlglocken denn Bronzeglocken klingen im Allgemeinen tiefer und erzeugen einen volleren Klang. Die große Glocke wurde überdies auch größer geplant. Mit etwa 1.200 kg ist sie etwa 250 kg schwerer als die alte Michaelsglocke. Die beiden anderen Glocken wiegen 550 kg und 360 kg.

Die neuen Glocken kurz nach der Anlieferung. Foto: Norbert Seyer

Der Tradition folgend, hat auch das neue Geläut wieder Namen erhalten. Mit der Namenwahl sollte auch eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart geschlagen werden.
Die große Glocke heißt, als Verbindung zu den alten Glocken, auch wieder „Michael“. Der Sinnspruch ist derselbe wie auf der alten Glocke. Die mittlere Glocke ist nach dem während der Nazizeit zu Tode gekommenen Berliner Domprobst Bernhard Lichtenberg benannt und heißt „Seliger Bernhard Lichtenberg“. Lichtenberg war es, der 1937 den Grundstein für unsere Kirche legte. Er trat öffentlich für die verfolgten Juden ein und bezahlte dafür mit seinem Leben. Der Spruch auf der Glocke lautet dementsprechend: „Ich werde immer meinem Gewissen folgen“. Die kleine Glocke wurde auf den Namen der Heiligen Hedwig getauft. Der Name erinnert an die Hedwigskapelle in Bestensee, die seit langen Jahren Teil der Gemeinde ist. Die Glockeninschrift lautet: „Ich diene den Menschen aus Liebe zum Herrn“.

Die Glockengießerei in Apolda existiert heute nicht mehr. Aus diesem Grund fiel die Entscheidung, die neuen Glocken im hessischen Sinn bei der Glockengießerei Rincker, einer der ältesten Gießereien Deutschlands, herstellen zu lassen. Am 21. April 2017 wurden die Glocken dort gegossen.

War der alte Glockenstuhl noch aus märkischer Kiefer gefertigt, genügt dieses Material den heutigen Anforderungen nicht mehr. Ein Glockenstuhl aus Eichenholz ist der Lebenserwartung von Bronzeglocken angepasst. Die Zimmerei André Stenglein aus Bestensee fertigte die neue Glockenaufhängung nach alter Handwerkstradition an. Es wurden z.B. alle benötigten Holznägel und die dazu gehörigen Zapfenverbindungen mit der Hand hergestellt und angepasst. Dafür wurde der Glockenstuhl einmal komplett aufgebaut und dann durch einen Statiker geprüft. Anschließend wurde er wieder demontiert und auf die Turmbaustelle gebracht.

Auch die Anordnung von Glocken übereinander war nicht mehr zeitgemäß. Aus diesem Grund stehen jetzt alle drei Glocken nebeneinander in der Glockenstube.

Am 2. Juli 2017 weihte der Berliner Erzbischof Dr. Heiner Koch im Beisein von Vertretern der Stadt und des Bistums die neuen Glocken in einem feierlichen Hochamt.

Ein- und Ausbau der Glocken. Foto: Norbert Seyer

Spektakulär war das Herausheben der alten Glocken und der Wiedereinbau des neuen Geläutes. Mit einem Autokran wurden die Glocken durch das geöffnete Mitteldach der Türme gehoben und mit Flaschenzügen an den Ort ihrer Bestimmung gebracht.
Die Kosten für das historische Projekt beliefen sich auf etwa 100.000 €. Diese hohe Investitionssumme konnte die Gemeinde nicht aus eigenen Mitteln aufbringen. Die Stadt Königs Wusterhausen stellte für die Erneuerung der Glocken 25.000 € zur Verfügung. Aus einem Fonds der Mittelbrandenburgischen Sparkasse erhielt die Gemeinde 15.000 € und auch das Bistum Berlin beteiligt sich mit etwa 45.000 € an der Finanzierung. Den Rest der Summe brachten spendenbereite Gemeindemitglieder und Mitbürger für die neuen Kirchenglocken auf.

Stellplatz der alten Glocken heute. Foto: Norbert Seyer

Wunschgemäß, zum 80-jährigen Kirchweihjubiläum von St. Elisabet im August 2017, tönte der volle Klang des neuen Geläuts über die Dächer von Königs Wusterhausen. Und auch die alten Glocken, die nahezu achtzig Jahre zuverlässig ihren Dienst taten, werden in Ehren gehalten und wurden nicht entsorgt.
Sie sind für jedermann sichtbar, allerdings ohne ihre Joche, neben der Kirche aufgestellt.