Abschiedsbrief von Herbert Kranz

Aus dem Nachlass der verstorbenen Großmutter meiner Frau, Hiltraut geb. Wurl, erhielt ich einige Dokumente und Fotos zu ihrer Familie aus dem Oderbruch. Unter diesen Schriftstücken war der Abschiedsbrief eines Cousins von Hiltraut, den dieser an seine Familie von der Ostfront im Jahr 1944, in einer möglichen Vorahnung seines bevorstehenden Todes, geschrieben hatte.

Herbert Willi Kranz wurde am 18. Dezember 1915 in Seelow geboren. Er hatte eine Zwillingsschwester und einen weiteren Bruder. Viel ist über das Leben von Herbert Kranz bisher nicht bekannt. Von der Ostfront existieren noch zwei Briefe. Der erste Brief, adressiert an seinen Onkel Hermann Wurl, seine Tante Hedwig und seine Cousine Hiltraut, ist vom 11. September 1940. Darin beschreibt er im Wesentlichen die Ereignisse während seines kurz zurückliegenden Heimaturlaubes in Seelow im August 1940. Mit Hilfe der Feldpostnummer 15663 lässt sich eine Truppenzugehörigkeit herleiten. Im September 1940 war Unteroffizier Herbert Kranz bei der Infanterie-Divisions-Abteilung 168 eingesetzt und damit der 68. Infanterie-Division unterstellt. Die Division war im September 1940 zur Grenzsicherung in Ostpolen eingesetzt, was sich mit der Ortsangabe „Gouvernement“ im Brief bestätigen lässt. Herbert Kranz wurde später versetzt und erhielt dadurch die neue Feldpostnummer 56972 A, die sich dem Feldersatz-Bataillon 320 zuordnen lässt. Dieses Bataillon war der 320. Infanterie-Division unterstellt.

Der Abschiedsbrief wurde von Herbert Kranz für den Fall seines Ablebens im Oktober 1943 begonnen und im Juli 1944 beendet. Überschrieben ist der Brief „Geschrieben in Russland, dem Land, das soviel Blut trank – Ein Vermächtnis an meine Lieben“

Ein genaues Todesdatum von Herbert Kranz ist nicht bekannt. Seine Einheit war im Juni 1944 der Heeresgruppe „Südukraine“ unterstellt. Bei der russischen Sommeroffensive wurde das Feldersatz-Bataillon 320 während der Schlacht bei Jassy-Kischinew vernichtet.

Herberts Mutter wartete bis an ihr Lebensende vergeblich auf die Rückkehr des Sohnes. Sein Tod ist weder beim Volksbund-Deutsche-Kriegsgräberfürsorge noch in den Datenbanken von ancestry verzeichnet. Das deutet sehr darauf hin, dass Herbert noch als unbekannter Soldat in fremder Erde ruht.


Der vollständige Wortlaut des Briefes in einer Transkription ist hier nachzulesen.