Erschreckender Fund – Tod im KZ Buchenwald

 

Die Mutter meines Schwiegervaters, Margot Klozik, wurde am 25. April 1922 in Massel, Kreis Rawitsch, unehelich geboren. Ihre Mutter war die unverehelichte Kassiererin Marta Klozik (Kluzik). Die Mutter war jedoch nicht in der Lage, sich um das Kind zu kümmern und gab es im Alter von sechs Wochen in die Familie ihrer Schwester nach Berlin. Margot Klozik lebte in den darauffolgenden Jahren in der Familie von Alwine und Paul Tischer.

Ihre Mutter Marta Klozig verdiente ihren Unterhalt später als Kellnerin in Breslau und schickte monatlich Geld, Kleidung und Süßigkeiten für das Kind nach Berlin. Später wurde der Kontakt unregelmäßiger, bis er letztendlich vollständig abriss.

Im Gegensatz zu vielen anderen unehelichen Geburten, bei denen der Erzeuger heute nicht mehr bekannt, weil in den Unterlagen nicht genannt ist, gibt es in meinen Aufzeichnungen Hinweise auf den leiblichen Vater des Kindes.
Erzeuger von Martha Klozig war der 1890 in Priment, Kreis Wollstein, geborene Ernst Emil Groß. Der Vater wurde mehrfach gerichtlich verurteilt, für seine Tochter Unterhalt zu zahlen. Ernst Groß lebte mindestens seit Anfang der 1930er Jahre in Berlin.

Margot Klozik heiratete im Januar 1945 den Tischler Johannes Schmeißer. Zur Erlangung der „Eheunbedenklichkeitsbescheinigung“ mussten vorab auch Angaben zu den Eltern beigebracht werden. Margot Klozik versuchte seit Mitte des Jahres 1944 vergeblich, Hinweise auf ihren leiblichen Vater zu erlangen. Mehrere Schreiben, unter anderem an die Gauwirtschaftskammer in Berlin oder das Polizeipräsidium Berlin, sind erhalten. Der Aufenthaltsort des Ernst Groß war den Behörden nicht bekannt.

Seit Jahren habe ich immer wieder mal im Internet nach Ernst Groß geforscht, jedoch ohne jeden Erfolg. Vor einigen Wochen bin ich erstaunlicherweise dann doch fündig geworden. Bei ancestry fand ich einen passenden Hinweis in den „Aufzeichnungen zu deutschen Konzentrationslagern, 1946-1958“.
Demnach wurde Ernst Groß am 18. Januar 1943 in Berlin verhaftet und am 15. Mai 1943 durch die Staatspolizei in das Konzentrationslager Buchenwald überführt. In der Datenbank des Arolsen-Archivs findet sich eine Akte mit mehr als zwanzig Dokumenten zu Ernst Groß.
In dieser Akte ist auch eine detaillierte Personenbeschreibung, leider jedoch kein Foto, enthalten. Demnach war Ernst Groß 1,61 m groß, blond und von schlanker Gestalt. Interessant ist, dass zwar eine Ehefrau in Berlin genannt wird, die uneheliche Tochter jedoch unerwähnt bleibt. Nach seiner Einlieferung in das KZ Buchenwald bekam er die Häftlingsnummer 7614. Als Verhaftungsgrund wurde „Judenfreundlichkeit“ in den Akten notiert. Ernst Groß schien bis dahin nicht sonderlich auffällig gelebt zu haben, denn es sind keine Vorstrafen angegeben. Interniert wurde er in Lagerstufe II, was bedeutet, dass er zwar als schwer belastet, jedoch noch als erziehungs- und besserungsfähig eingestuft wurde.
Die Häftlinge des KZ Buchenwald waren unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht. Nur unzureichend ernährt, mussten sie Schwerstarbeit in Steinbrüchen oder Fabriken verrichten. Zehntausende Häftlinge starben an Krankheiten, Unterernährung oder Erschöpfung. Viele von ihnen wurden auch von der SS ermordet. Einer dieser Toten war auch Ernst Groß. Er starb am 28. März 1944. Unter welchen Umständen er zu Tode kam, wird sich wohl nicht klären lassen. Wahrscheinlich wurde er nach seinem Tod im Krematorium verbrannt. Seine Witwe bekam seine wenigen Habseligkeiten von der Lagerverwaltung noch nach Hause geschickt.

Nach diesem erschreckenden Aktenfund ist auch klar, warum es auf die Anfragen von Margot Klozik im Sommer 1944 keine Hinweise mehr auf ihren leiblichen Vater gab.


Foto: Andreas Trepte,  www.avi-fauna.info, Eingangstor des KZ Buchenwald, wikipedia