Elisabeth Cichy – Zum 100. Geburtstag

Meine Großmutter väterlicherseits wäre heute 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Grund widme ich ihr heute einen längeren Beitrag zu ihrem Leben.

Elisabeth Charlotte Cichy wurde am 18. November 1920 in Königs Wusterhausen als Tochter von Franz Cichy und Gertrud geborene Hoffmann geboren. Getauft wurde sie am 12. Dezember 1920 allerdings in der katholischen Kirche St. Antonius Berlin-Schöneweide, weil es wohl Diskrepanzen zwischen ihrer Mutter und dem damaligen Kuratus Janotta in Königs Wusterhausen gab.
Elisabeths Vater Franz Cichy stammte aus Wegierki in der Nähe von Wreschen, einem Ort etwa 50 Kilometer östlich von Posen, in der heutigen Woiwodschaft Großpolen. Ihre Mutter Gertrud Hoffmann wurde in Liebau/Schlesien geboren. Die Eltern heirateten 1918 in Königs Wusterhausen.
Elisabeth hatte noch einen jüngeren Bruder. Theodor Franz wurde 1922 in Königs Wusterhausen geboren.

Die kleine Familie lebte zunächst in Königs Wusterhausen in der Cottbuser Straße. Vater Franz arbeitete als Lackierer in den Schwartzkopffwerken in Wildau. Die Mutter führte den Haushalt und hatte keinen besonderen Beruf. Nebenbei erledigte sie Näharbeiten zu Hause und verbesserte dadurch das Einkommen der Familie. Später zog die Familie nach Wildau in die Schwartzkopffstraße um.

Über die Schulzeit von Elisabeth ist nichts bekannt.

Am 27. April 1930 hatte Elisabeth ihre erste heilige Kommunion in der damaligen St. Elisabeth-Kapelle, dem heutigen Pfarrhaus in Königs Wusterhausen. Gefirmt wurde sie am 21. Mai 1933 im Alter von dreizehn Jahren ebenfalls in Königs Wusterhausen.

Elisabeth absolvierte eine Ausbildung zur Hausgehilfin in der Zeit vom 1. Mai 1935 bis zum 1. April 1937 in Potsdam. Ausbildungsstätte war das St. Josef Krankenhaus in unmittelbarer Nähe des Schlosses „Sans Souci“. Sie wurde von den dortigen Ordensschwestern in die Kniffe und die Tricks des Haushaltsführens eingewiesen. Zahlreiche Geschichten und Anekdoten aus dieser Zeit sprach sie Jahrzehnte später für ihre Enkelkinder auf Band.

Nach der Ausbildung war sie für knapp vier Monate bei „Gustav Hübscher-Uhren und Goldwaren“ in der Königs Wusterhausener Bahnhofstrasse als Hausgehilfin angestellt. Aushilfsweise arbeitete Elisabeth danach bei „Gustav Schmidt-Kolonialwaren“ in Königs Wusterhausen
Seit dem 6. November 1937 war Elisabeth in Festanstellung zunächst als Haushaltshilfe bei „Fritz Berge-Delikatessen und Räucherwaren“ in Zeuthen angestellt. Durch ihre zuverlässige Arbeit im Haushalt und später auch im Geschäft, erwarb sie sich zunehmend das Vertrauen des Unternehmers und durfte zwischenzeitlich das Geschäft auch selbstständig führen. Bei der Kundschaft war sie durch ihre Aufgeschlossenheit und ihr freundliches Wesen äußerst beliebt.

Zum 6. Januar 1945 musste sie die Arbeitsstelle jedoch aufgeben, weil sie zur Wehrmacht einberufen wurde. Einsatzort war Pressek in Oberfranken. Was genau ihre Aufgabe war, ist bisher unklar. Gegen Ende des Krieges geriet Elisabeth in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde im Kriegsgefangenenlager Bretzenheim bei Bad Kreuznach interniert. Dieses Lager gehörte zu einer Reihe von Kriegsgefangenenlagern auf den sogenannten Rheinwiesen, in denen die Alliierten zwischenzeitlich mehr als 100.000 Männer und Frauen gefangen hielten. Die Lagerbedingungen für gefangene Soldaten waren erbärmlich, tausende Internierte der Wehrmacht starben an Krankheiten und Mangelernährung. Die Frauen in den Rheinwiesenlagern waren separat untergebracht und hatten etwas bessere Haftbedingungen. Elisabeth wurde am 3. Juli 1945 aus der Gefangenschaft in Richtung Oberfranken entlassen, weil die Alliierten keine Kriegsgefangenen in die russisch besetzte Zone entlassen wollten. Hier drohte den Entlassenen eine sofortige Wiederverhaftung.

Zu ihrer Entlassung erhielt Elisabeth ein wenig Marschverpflegung und musste sich dann in Richtung Oberfranken auf den Weg machen. Mehrere Tage war sie unterwegs. Ihr Weg führte sie über Pressek, Helmbrechts und Trogen bis nach Hof. Immerhin eine Strecke von über 400 Kilometern. Ab dem 31. Juli 1945 konnte sie an der Gemeinschaftsverpflegung in Hof teilnehmen.
In der Zeit vom 16. August bis zum 5. Dezember 1945 absolvierte Elisabeth einen Lehrgang beim Bayrischen Roten Kreuz in Hof als Rotkreuzhelferin und war während dieser Zeit auch im dortigen Krankenhaus beschäftigt. In Hof blieb sie bis Ende April 1946.

Danach kehrte Elisabeth in die Heimat zurück. Seit dem 2. Juli 1946 war sie wieder in Zeesen gemeldet und lebte dort im Haus ihrer Schwiegereltern.
Anfang September 1946 nahm sie eine Stelle als Reinigungskraft im russischen Autoreparaturwerk „Einheit“ in Zeesen a
Anschließend war sie auch kurz bei der Deutschen Post beschäftigt, bevor sie dann im „Kurzwarengeschäft Ruth Teuber“ in Königs Wusterhausen eine Anstellung als Verkäuferin fand.

Ehe und Familie

Die Familie Cichy war fest in der katholischen Gemeinde St. Elisabeth in Königs Wusterhausen verwurzelt. Hier lernte Elisabeth auch ihren späteren Mann, Johannes Seyer, kennen.

Johannes Josef Seyer wurde am 2. Juli 1917 in Berlin-Marienfelde geboren. In den dreißiger Jahren verzog die Familie nach Zeesen. Auch die Familie Seyer war in der Kirchengemeinde sehr aktiv.
Als Johannes seine Elisabeth hier kennen lernte, war es für ihn die Liebe auf den ersten Blick. „Diese Frau wolle er heimführen…“, so hat er sich gegenüber seiner Mutter nach dem ersten Treffen geäußert.

Im April 1939 wurde Johannes zum Wehrdienst bei der Deutschen Luftwaffe eingezogen. Er wurde Soldat bei einer Fernaufklärereinheit. Als im Sommer 1939 mit dem Überfall der Wehrmacht auf Polen der II. Weltkrieg begann, musste Johannes als Soldat in den Krieg ziehen. Zunächst in Polen und Frankreich stationiert, wurde seine Einheit 1941 nach Russland verlegt, um dort den Luftraum aufzuklären und zu sichern.
Aus der Zeit des Krieges sind zahlreiche Feldpostbriefe von Johannes an seine Verlobte Elisabeth erhalten geblieben.
In den Briefen ging es anfangs hauptsächlich um die geplante Hochzeit der beiden Verlobten. Die Hochzeit war lange geplant und wurde immer wieder verschoben. Vom 3. Mai 1942 datiert z.B. eine Vollmacht aus Italien, Johannes hielt sich dort in einem Luftwaffenhotel zur Erholung auf, mit der er seine Verlobte ermächtigte, für ihn das Aufgebot für die spätere Hochzeit zu stellen. Ursprünglich sollte die Hochzeit wohl bereits zu Pfingsten 1942 stattfinden.
Im Jahr 1943 konnten sich die beiden Verlobten endlich das Jawort geben. Der Heiratsurlaub war beantragt, doch auch der wurde wiederholt nach hinten verschoben.

Während eines Lehrganges, höchstwahrscheinlich auf dem Luftwaffenstützpunkt in Krosno/Polen, konnte Johannes dann doch noch einen Kurzurlaub antreten. Mit den Worten „Komme Sonnabendabend oder Sonntag, Heirat Mittwoch“ kündigte er per Telegramm am 18. März 1943 aus Krosno die Hochzeit für die Daheimgebliebenen an und löste damit in Wildau Chaos aus. Die Familie war doch ein wenig überrumpelt und unvorbereitet.
Als Soldat der Luftwaffe hatte Johannes das Glück, nicht mit dem Zug in die Heimat reisen zu müssen, sondern er konnte für die Heimreise das Flugzeug nutzten.

Die Hochzeit wurde am 24. März 1943 in Wildau gefeiert. Die kirchliche Trauung fand in der St. Elisabeth Kirche in Königs Wusterhausen statt. Schon einige Jahre zuvor hatte Johannes aus Frankreich Spirituosen nach Hause geschickt, die eigentlich für seine spätere Hochzeit gedacht waren. Aber er hatte wohl nicht mit dem Durst seines Bruders gerechnet, so dass von den Vorräten am Tag der Hochzeit nicht mehr viel übrig war.
Nach diesem Kurzurlaub ging es zurück nach Russland. Vor Kriegsende kam Hans nur noch einmal auf Heimaturlaub.

Gegen Ende des Krieges, kurz vor der Heimat, geriet Johannes im Frühjahr 1945 in russische Kriegsgefangenschaft und wurde im Gebiet des Ural interniert. Nur drei Lebenszeichen in Form von kurzen Postkarten erreichten die Familie während dieser Zeit. Wie groß muss doch die Ungewissheit gewesen sein, ob der Mann überhaupt noch einmal nach Hause kommen würde.
Nach zwei Jahren russischer Kriegsgefangenschaft kam Johannes im Juli 1947 endlich wieder nach Hause. Erst im Oktober 1947 konnte er wieder einer geregelten Arbeit nachgehen. Elisabeth und ihr Mann zogen im September 1947 aus dem Haus der Schwiegereltern in die Eisenbahnstraße von Zeesen um. Hier wohnten sie bei Familie Steibert zur Untermiete. Mitte Juni des Jahres 1949 starb Elisabeths Schwiegermutter in der Lindenstraße in Zeesen. Marianne Seyer pflegte bis zum Schluss ihre an Demenz erkrankte Mutter, die nun allein im Haus war. Elisabeth und Johannes zogen Ende Juni wieder ins elterliche Haus in der Lindenstraße.

Elisabeth und Johannes bekamen im Lauf ihrer Ehe drei Kinder.

Die Eheleute Seyer wohnten nach ihrem Umzug aus der Eisenbahnstraße Zeit ihres Lebens in der Lindenstraße in Zeesen. Elisabeth starb am 18. Juli 1997 nach einer Operation an Herzversagen im Krankenhaus von Bad Saarow. Sie wurde am 25. Juli in Zeesen beerdigt.